Die Mahnung des Schimon Peres: „Nie wieder“

Berlin. Im Plenarsaal herrscht bedrückende Stille. Gebannt hören die Abgeordneten zu: "Vor meinem geistigen Auge steht die prächtige Gestalt des von mir so bewunderten Großvaters, Rabbi Zwi Meltzer, dessen Lieblingsenkel ich war," erzählt Schimon Peres mit leicht stockender Stimme.

Peres berichtet, wie der Großvater am Bahnsteig stand, als er 1934 als Elfjähriger mit seinen Eltern aus dem damaligen Polen in Richtung Palästina abreiste. "Ich blickte meinem Großvater durch das Fenster nach, bis seine Gestalt verschwand. Es war das letzte Mal."

Nach dem Einmarsch der Nazis fünf Jahre später mussten sich alle Juden in Wischnewa, der Geburtsstadt von Peres, auf Befehl der SS-Einsatzgruppe in der Synagoge versammeln. "Mein Großvater ging als erster hinein. Seine Familie folgte ihm. Die Türen wurden von draußen verriegelt, und das Holzgebäude wurde angezündet. Von der gesamten Gemeinde blieb nur glühende Asche und Rauch. Keiner hat überlebt", erzählt der 86-Jährige.

Auch langjährige Parlamentarier können sich hinterher nicht an einen ähnlich bewegenden und eindrucksvollen Auftritt erinnern wie den des israelischen Präsidenten am Holocaust-Gedenktag im Bundestag. Mit dem Kaddisch, der jüdischen Totenklage, eröffnet er seine Rede. "Dieses weit über tausend Jahre alte jüdische Gebet konnten weder die Mütter sprechen, deren Säuglinge ihrer Arme entrissen wurden, noch die Väter, die ihren Kindern einen letzten Blick zuwarfen, bevor sie in die Gaskammern gepfercht wurden, noch hörten es die Kinder, die im Krematorium in Rauch aufgingen." Dieser Völkermord müsse "dem menschlichen Gewissen stets als ewiges Wahrzeichen vor Augen stehen". Die wichtigstes Lehre laute deshalb: "Nie wieder!"

Doch Peres belässt es nicht beim Blick zurück. "Ich stehe heute an diesem Gedenktag vor Ihnen, vor Führungspersönlichkeiten und Vertretern eines anderen demokratischen Deutschlands, eines wertvollen Deutschlands." Er fügt seine zuversichtliche Vision von einer Aussöhnung mit den arabischen Nachbarn hinzu: "Ich glaube daran, dass der Frieden in Reichweite ist."

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