Die freien Radikalen der Linkspartei

Kandidaten: Er verehrt Saddam und hält die USA für ein „mörderisches Imperium“: Warum Chris Sedlmair seiner Partei peinlich wurde.

Berlin. Chris Sedlmair schaut nicht sehr radikal aus seiner Internetseite heraus, eher etwas traurig. Was aber dort zu lesen ist, muss man als radikal einstufen. Unter der Überschrift "American Reich" bezeichnet er die USA als "das grausamste und mörderischste Imperium seit Hitler".

Er solidarisiert sich mit dem "irakischen Freiheitskampf" und beklagt, dass "die Islamophobie zur herrschenden Wahnideologie" geworden sei. Der 31-Jährige wurde in Dachau als Direktkandidat der Linken für den Bundestag aufgestellt und erweiterte damit die Problemzone der Partei, in der sich Radikale vieler Art umtun.

Der Landesverband Bayern reagierte umgehend auf Medienberichte und forderte Sedlmair zum Rückzug auf. Er willigte ein, wie die Linkspartei jetzt mitteilte. Sedlmair selbst erklärte, er könne "aus familiären Gründen den für einen ländlichen Wahlkreis in Bayern notwendigen Einsatz bis zum Wahltag nicht mehr voll und ganz garantieren".

Die Sprecherin des Landesverbandes, die Bundestagsabgeordnete Eva Bulling-Schröter, begrüßte die Entscheidung. "Wir haben so viele Neumitglieder," sagt sie entschuldigend. Man kenne nicht alle gut.

Vor kurzem hat in NRW Hermann Dierkes Aufsehen produziert. Der Duisburger OB-Kandidat rief zum Boykott israelischer Produkte auf und trat nach barscher Kritik zurück.

Immer wieder erzeugen Mitglieder der Linken mittlere Skandale. Mal sind es gerichtliche Auseinandersetzungen, mal Vorwürfe wegen Stalkings. Meistens aber sind es radikale Positionen, die dann auffallen, wenn ihr Inhaber Karriere macht. Wie Pit Metz. Vor der Landtagswahl in Hessen musste der Spitzenkandidat der Linken aufgeben, weil er den Schießbefehl an der ehemaligen DDR-Grenze mit den Vorschriften für deutsche Soldaten in Afghanistan verglichen hatte.

"Zehn Prozent Irre gibt es in jeder Partei", hat Fraktionschef Gregor Gysi einmal gesagt. Zehn Prozent? Es seien deutlich weniger, meint Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch. "Wir sind eine rasant wachsende Partei, in NRW beispielsweise haben wir heute über 8000 Mitglieder. Da kommt es vor, dass auch Menschen zu uns kommen, die in der Linken nicht ganz richtig aufgehoben sind", sagt er. Aber über die Richtung der Partei bestimmten Bundesparteitage. "Und auf allen Bundesparteitagen hat sich die politische Vernunft durchgesetzt."

Fragen nach der Radikalendichte auf den oberen Plätzen der Landesliste für die Bundestagswahl beantwortet Bartsch fast amüsiert. "Dass wir im Landesverband NRW eine Auseinandersetzung um den politischen Kurs haben, ist normal."

Er setze auf den Erfolg bei den Kommunalwahlen. "Wenn wir auf einen Schlag mehr als Tausend Kommunalvertreter haben, dann wächst der Realitätssinn. Da kann dann jemand vielleicht zweimal im Rathaus einen Vortrag über die Weltrevolution halten, aber dann ist es auch vorbei, schon weil die Nachbarn komisch gucken."

Oder man scheitert auf dem Weg in politische Verantwortung wie Chris Sedlmair. Der Dachauer hat eine Biografie, die vermutlich nicht untypisch ist in der Problemzone der Partei. Über seine Person dokumentiert Sedlmair: Grundschule, Hauptschule, Gymnasium, Realschule. ("in dieser Reihenfolge").

Seine Berufstätigkeit beschreibt er als "verschiedenste Arbeitsstellen, meist kurzfristig". Ähnlich scheint es sich bei seinen politischen Aktivitäten zu verhalten. Er listet Mitgliedschaften in SPD, PDS, DKP auf, bevor er im vergangenen Jahr in die Linkspartei eingetreten sei.

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