Bundestagswahl Warum Jungwähler grün, aber auch FDP wählten

Analyse | DÜSSELDORF · Insgesamt ist der Anteil der Erstwähler gering – aber die von ihnen „beauftragten“ Parteien haben an Einfluss gewonnen.

 Der Wille zur Veränderung eint Grüne und Liberale in ihren Zielen.

Der Wille zur Veränderung eint Grüne und Liberale in ihren Zielen.

Foto: imago images/Manngold/Ralph Goldmann via www.imago-images.de

Als Erstwählerinnen und Erstwähler am vergangenen Sonntag die Kreuzchen auf ihren Stimmzetteln machten, da dürfte das Gefühl mitgeschwungen haben: Endlich, jetzt bestimme ich mit. Doch bei realistischer Betrachtungsweise musste auch klar sein: Die junge Generation, die da mit über die Zukunft des Landes entscheidet, ist ganz und gar nicht mächtig. Unter fünf Prozent aller Wahlberechtigten machten die weniger als drei Millionen Erstwähler aus. Weil die Wählerinnen und Wähler ab 60 Jahren fast 40 Prozent der Wahlberechtigten stellen, fallen die Jungen kaum ins Gewicht. Weshalb auch die alten Volksparteien SPD und CDU in ihrer Ansprache auf die älteren Wähler setzten. Etwa mit Versprechen in sozialen Fragen, insbesondere für sichere Renten.

Weil nach der Wahl vom Sonntag nun die kleinen Parteien, Grüne und FDP, das Heft des Handelns in der Hand haben und sich den gemeinsamen Koalitionspartner aussuchen können - SPD oder CDU - bekommt auch das Votum der jungen Generation mehr Gewicht. Jeweils 23 Prozent der Erstwählenden haben sich entweder für die FDP oder die Grünen entschieden. Nimmt man die Gruppe der unter 18- bis 24-Jährigen, haben 23 Prozent die Grünen und 21 Prozent die FDP gewählt. Grundlage für diese Werte sind Befragungen der Wahlforscher von infratest dimap in repräsentativ ausgewählten Wahllokalen am Wahltag.

Coronapolitik als ein Grund, die FDP zu wählen

Während der hohe Wert für die Grünen erwartbar war, weil diese mit ihrer Klimaschutzpolitik am ehesten den Zielen der jungen Fridays-for-Future-Generation entsprechen, erscheint der Erfolg der FDP bei den Jungen überraschend. Werden die Liberalen doch sonst eher als Klientel- oder Steuersenkungspartei wahrgenommen, die für die Interessen von Gutverdienern eintritt. Das sind kaum Themen für junge Menschen. Doch Jugendforscher können sich durchaus einen Reim auf die Wahlentscheidung der jungen Leute für die FDP machen.

Die Anziehungskraft von FDP und Grünen auf Erstwähler
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Klaus Hurrelmann etwa sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, die Coronakrise könne ein Auslöser gewesen sein. „Wir wissen aus Studien, dass sich die jüngere Generation durch die Corona-Krise stark benachteiligt fühlt.“ Schüler und Studenten waren schließlich selbst kaum gefährdet, durch das Virus stark zu erkranken, mussten aber im Lockdown mit Digitalunterricht, digitalen Vorlesungen und dem Verzicht auf Partys stärker leiden als die Eltern, die weiter zur Arbeit durften. Da sei, so Hurrelmann, die FDP diejenige Partei gewesen, „die sich am klarsten gegen die Lockdown-Politik der Bundesregierung positioniert hat, ohne den Boden der verfassungsrechtlichen Ordnung zu verlassen. Das wird von den Erstwählern jetzt belohnt.“

Auch die Frage finanzieller Absicherung spielt eine Rolle

Für Jugendforscher Simon Schnetzer gibt es noch einen anderen Erklärungsansatz. Gegenüber „Zeit-online“ sagte er, dass es jungen Leuten eben nicht nur ums Klima gehe - weshalb sie dann für die Grünen stimmen - sondern auch um ihre finanziell sichere Zukunft. „Viele glauben nicht daran, dass sie genug Rente bekommen. Sie wissen, es braucht eine Veränderung, damit sie in Zukunft in Wohlstand leben.“ Dafür steht für sie die FDP.  Auch ließen sich die Jungen die Dinge lieber von anderen Jungen erklären als von „alten weißen Männern“, sagt Schnetzer. Seit ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag 2013 habe die FDP sich neu aufgebaut. Die Partei vermittle den Eindruck, jung und modern zu sein und auch junge Menschen früh in Entscheidungspositionen zu heben.

Die Jungwähler von Grün und Gelb mögen mit ihren Interessen weit auseinanderliegen. So wie auch die Programme der Parteien. Und deren Parteispitzen, die nun quasi in ihrem Namen ausloten, ob sie Schulter an Schulter gehen und entweder der SPD oder der CDU Zugeständnisse abringen.  Aber, und das hat Parteienforscher Karl-Rudolf Korte schön gesagt: „Die Kohorte kennt sich ja, die hat nur auf dem Schulhof in unterschiedlichen Ecken gespielt.“ Übrigens: Robert Habeck und Christian Lindner nennen sich beim Vornamen.

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