Der Kampf des Philipp Rösler

Mit seinem Vorstoß, die Arzneimittelkosten zu senken, erntet der Minister Kritik. Auch aus der eigenen Partei.

Berlin. Philipp Rösler zeigt Mut. Der Bundesgesundheitsminister will sich mit der Pharmaindustrie anlegen und ihr Preismonopol bei neuen Arzneimitteln brechen. Noch steht der 37-jährige FDP-Politiker ziemlich allein da - und er kann auch nicht sicher sein, ob die Koalitionsfraktionen hinter ihm stehen.

So wurden die Sparpläne in den eigenen Reihen als zu weitgehend kritisiert. Bedenken kamen gestern vor allem von FDP-Landesministern, die freiwillige Regelungen statt Zwangsrabatten forderten. Die Krankenkassen dagegen halten die Ideen des Ministers für unzureichend.

Rösler will der Preistreiberei einen Riegel vorschieben und ein bis zwei Milliarden Euro pro Jahr einsparen. Denn seit Jahren steigen die Ausgaben für Medikamente nahezu ungebremst: Von 20 Milliarden Euro im Jahr 2000 auf zuletzt 32 Milliarden Euro. Zahlreiche Sparpakete konnten den Trend nicht stoppen, allenfalls kurzzeitig bremsen.

Röslers Vorstoß gleicht einem Balanceakt: Er will Schwerkranken neue Arzneimittel nicht vorenthalten, dennoch den Herstellern beim Preis auf die Finger klopfen. Damit hat sich schon Vorgängerin Ulla Schmidt (SPD) schwergetan. Erreichen sollen das Verhandlungen zwischen den Pharmafirmen und den Krankenkassen, und zwar, nachdem das Präparat auf dem Markt ist. Damit soll der Hersteller weiterhin zunächst allein den Preis festsetzen. Erst danach wird über Abschläge geredet.

Manche Kritiker sehen bereits Zustände wie auf orientalischen Basaren, wo der beim Feilschen am Ende ausgehandelte Rabatt zuvor draufgeschlagen wird. "Das ist ähnlich wie bei Teppichhändlern. Wenn ich 100 Prozent vom Preis haben will, schlage ich 20Prozent drauf und lasse mir die 20Prozent wieder abhandeln", sagt der SPD-Gesundheitsökonom Karl Lauterbach. Unterm Strich, so seine Einschätzung, lässt sich damit "kein Cent" einsparen.

Röslers Sparplan, der kurzfristig auch Zwangsrabatte und Preismoratorien vorsieht, zielt auf die besonders hochpreisigen Arzneimittel-Innovationen, etwa die durch Patente geschützten Krebsmittel. Dieser Bereich schlug bei den Kassen 2008 mit knapp zehn Milliarden Euro zu Buche, mehr als ein Drittel der Medikamenten-Gesamtausgaben. Mehr als drei Milliarden Euro gingen auf das Konto von Medikamenten ohne therapeutischen Zusatznutzen, klagen die Kassen.

Der Vizechef der größten deutschen Einzelkasse Barmer-GEK, Rolf-Ulrich Schlenker, sagte: "Wir begrüßen den Ansatz, in die Preisregulierung einzusteigen. Doch Verhandlungen allein werden nicht ausreichen." Er plädiert für eine unabhängige Bewertung patentgeschützter Arzneimittel. "Auf dieser Basis müsste dann ein angemessener Preis festgelegt werden." Rösler verwahrte sich aber dagegen: "Ich halte es für falsch, das Preismonopol der Industrie gleichsam dann durch ein staatliches Monopol zu ersetzen."

Aber auch er hält die von den deutschen Herstellern festgesetzten Preise für überhöht. "Das ist wie der Einzug ins Paradies", ärgert sich der Vorstandschef der AOK Rheinland/Hamburg, Wilfried Jacobs. Die Pharmafirmen konnten sich trotz der schwersten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit über satte Gewinnzuwächse freuen. Zwar gibt es eine Kontrollinstanz, das Kölner Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Doch dessen Prüfergebnisse über Kosten und Nutzen neuer Arzneien liegen immer erst lange nach deren Markteinführung vor - und werden von der Pharma-Industrie regelmäßig auch noch angezweifelt.

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