Der Kampf des Jürgen Rüttgers

Unermüdlich ist der CDU-Politiker im Land unterwegs. Er will am Sonntag sein Amt als Ministerpräsident verteidigen.

Krefeld/Nettetal. Jürgen Rüttgers muss warten. Die geölte Wahlkampfmaschinerie der nordrhein-westfälischen CDU ist für einen Moment ins Stottern geraten, weil die Ehefrau des Spitzenkandidaten im Stau steht. Gemeinsam mit ihrem Mann will Angelika Rüttgers an einer Wahlkampfveranstaltung im Krefelder Königpalast teilnehmen.

Die Wartezeit ist symptomatisch für den Wahlkampf des amtierenden Ministerpräsidenten. Er gönnt sich keine Ruhe, sondern nutzt jede Minute: Rüttgers gibt Interviews, schüttelt die Hände der anwesenden CDU-Lokalprominenz, ein Junge mit Zahnspange möchte ein Autogramm haben. Als seine Frau eintrifft, ist nur Zeit für eine kurze Begrüßung. Dann geht es weiter. Knapp eine Woche vor der Wahl gilt es, jede Gelegenheit zu nutzen, für die Partei zu werben. Denn die Aussichten sind nicht rosig.

"Es steht auf Messers Schneide", ist der Satz, den Rüttgers an diesem Tag immer wieder sagen wird: Den Journalisten, die ihn auf seiner Wahlkampftour am Niederrhein begleiten, den Menschen, zu denen er auf den Veranstaltungen spricht. Seit Wochen haben CDU und FDP keine Mehrheit in den Umfragen.

Rüttgers weiß, dass seine Partei am Abend des 9. Mai als eindeutiger Sieger aus der Landtagswahl hervorgehen muss. Mit wem er dann Koalitionsgespräche aufnimmt, wird sich zeigen. Erst einmal heißt es, alle Wähler zu mobilisieren: "Keiner darf zu Hause bleiben", ruft er den Besuchern der Wahlveranstaltung in Krefeld zu.

Dem CDU-Politiker muss die derzeitige Situation wie ein Treppenwitz der Geschichte vorkommen. Bis zur Bundestagswahl waren die meisten Beobachter davon ausgegangen, dass Schwarz-Gelb bei der Landtagswahl durchmarschieren wird. Dann kamen die Anfangsschwierigkeiten der schwarz-gelben Bundesregierung, und seitdem kämpft Rüttgers mit dem Gegenwind aus Berlin.

Dabei war er mit dem Rückenwind aus Berlin 2005 ins Amt gekommen, hatte mit seinem Wahlsieg sogar das Ende von Rot-Grün im Bund eingeläutet. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) kündigte vorgezogene Neuwahlen an - und deshalb findet die NRW-Wahl in diesem Jahr zeitlich nach der Wahl im Bund statt.

Jürgen Rüttgers muss kämpfen. Und der 58-Jährige versucht, den Ernst der Lage auch an die Parteibasis zu tragen. In Krefeld und später am Tag in Nettetal hat er Heimspiele - hier sind CDU-Anhänger und Parteifunktionäre versammelt. Hier zündet jede Pointe. Jede Spitze gegen die politische Konkurrenz wird frenetisch bejubelt.

Laut Umfragen seien 37 Prozent der Wähler noch unentschlossen, ruft Rüttgers aus. An vielen davon dürfte sein Wahlkampfbus an diesem Tag vorbeigefahren sein. Sie müssen noch gewonnen werden. Dafür arbeitet er - in den vier Wochen vor der Wahl absolviert er 60 Wahlkampfveranstaltungen.

Rüttgers hat lange darauf gewartet, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen zu werden. Er war Bundesforschungsminister, als die Regierung Kohl 1998 abgewählt wurde. Der Politiker, der lange schon als Talent in der CDU galt, musste sich umorientieren. Bereits seit 1993 hatte er als stellvertretender Vorsitzender einen Fuß in der Tür der mächtigen NRW-CDU. Als Norbert Blüm nicht mehr Landesvorsitzender sein wollte, setzte sich Rüttgers in einer Kampfkandidatur durch - und begann seine Mission: Nach mehr als drei Jahrzehnten die SPD-Herrschaft an Rhein und Ruhr zu brechen.

In den Folgejahren arbeitete Rüttgers auf dieses Ziel hin. Er modernisierte seine Partei, die sich die "Neue CDU im Westen" nannte, mutete der Parteibasis dabei auch einiges zu. So verabschiedeten sich die Christdemokraten unter Rüttgers aus dem Steinkohlekompromiss mit der SPD und sprachen sich erstmals für einen Ausstieg aus den Subventionen aus - was die schwarz-gelbe Landesregierung dann später auch umsetzte.

Bei der Landtagswahl 2000 unterlag die NRW-CDU. 2005 dann stimmte alles: Die CDU konnte erstmals seit 39Jahren wieder den Ministerpräsidenten stellen. Jetzt muss Rüttgers bangen. Am kommenden Sonntag könnte nach nur fünf Jahren alles wieder vorbei sein. Wenn der stellvertretende CDU-Bundeschef allerdings siegt, wird seine Position in der Partei gestärkt. An dem starken Mann in Düsseldorf käme auch CDU-Chefin Angela Merkel kaum noch vorbei.

Im Endspurt des Wahlkampfes setzt der CDU-Spitzenkandidat vor allem auf drei Themen: Die Bildungspolitik, die Warnung vor einer Zusammenarbeit von SPD und Linken und - verschärft durch die aktuelle Lage in Griechenland - die Stabilität in der Wirtschaftskrise. "Es ist keine Zeit für Experimente", ruft er im Veranstaltungssaal in Nettetal-Lobberich aus. Gerade in einer solchen Krise komme es auf Stabilität an, wirbt er für fünf weitere Jahre einer CDU-geführten Regierung. "Dafür bitte ich um Ihre Hilfe. Jeder trägt Verantwortung", appelliert er nochmals. Denn am Ende dürfe es nicht an ein paar tausend Stimmen liegen, dass es wieder eine linke Mehrheit im Land gebe.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort