Debatte um den Mindestlohn

In einer emotionalen Debatte streiten Rot-Grün und Schwarz-Gelb über den Mindestlohn. Der Bundestagswahlkampf ist nun in der Länderkammer angekommen.

Berlin. „Nebelkerzen“, „Schaufensterantrag“, „falsche Signale“ — normalerweise sind den Rednern im Bundesrat solche Kampfparolen fremd. In der Länderkammer wird traditionell mit dem verbalen Florett gefochten. Nicht mit dem Schwert. Doch die neuen Mehrheitsverhältnisse lassen die diplomatischen Gepflogenheiten an diesem Freitagvormittag in den Hintergrund treten.

„Der Bundesrat wird heute zur Bühne für die Bundestagswahl“, schimpft Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Stein des Anstoßes ist der von den rot-grün regierten Ländern gemeinsam mit Brandenburg (Rot-Rot) eingebrachte Gesetzentwurf für einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro.

Nach der gewonnenen Niedersachsen-Wahl kann Rot-Grün im Verbund mit der Linkspartei in der Länderkammer eigene Gesetze durchbringen. Und diese Offensive beginnt an diesem Freitag mit einer fast 80 Minuten langen Debatte über den Mindestlohn, in der — auch das ist unüblich — vier Ministerpräsidenten persönlich das Wort ergreifen.

Vor allem Malu Dreyer (SPD) ist die Genugtuung über den Machtzuwachs ihres Lagers anzumerken. Der Vorstoß zum Mindestlohn werde „endlich Erfolg“ haben, frohlockt die neue rheinland-pfälzische Regierungschefin. Und dann zählt sie ihre Argumente auf: Zum Beispiel, dass fast jeder dritte Beschäftigte in nicht tarifgebundenen Betrieben einen Niedriglohn von durchschnittlich 6,68 Euro pro Stunde erhalte und dass sogar manche Tarifverträge einen Stundenlohn von weniger als vier Euro vorsähen.

Was ihre Partei nicht wolle, so Dreyer, sei das Lohnuntergrenzen-Konzept der Union, weil es auch tarifliche Billiglöhne ungeschoren lasse. Spätestens jetzt ist der Wahlkampf in der Länderkammer angekommen. Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) wirft SPD und Grünen vor, mit ihrer „Maximalforderung“ auf Konfrontation zu setzen. Ihr Amtskollege Bouffier spricht von „Fundamental-Opposition“.

Doch das „schwarze Lager“ ist längst nicht so homogen, wie es den Anschein hat. Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschef Erwin Sellering (SPD) wirbt namens seiner großen Koalition für Zustimmung zum rot-grünen Entwurf, also auch im Namen seiner Landes-CDU. Auch das schwarz-rot regierte Saarland votiert am Ende für den rot-grünen Mindestlohn. Sie stehe zu den Unionsplänen zur Lohnuntergrenze, sagt Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). „Im Koalitionsvertrag mit der SPD ist aber festgelegt, jede Initiative zur Verbesserung des Status Quo zu unterstützen.“

Dabei gibt es zwischen beiden Konzepten durchaus Berührungspunkte. Beide wollen die Festlegung des Mindestlohns einer Kommission aus Vertretern der Tarifpartner überlassen. Der Unterschied besteht darin, dass die Genossen mit den 8,50 Euro eine konkrete Einstiegshöhe vorgeben. Das lehnt die Union ab.

Und wie geht es nun weiter? Der Gesetzentwurf muss noch den Bundestag passieren, dort jedoch kann eine Beratung von der schwarz-gelben Mehrheit auf den St.-Nimmerleinstag verschoben werden. Das weiß auch die SPD. Auf die Frage nach einer Kompromissmöglichkeit mit der Union antwortet Dreyer in schöner Offenheit: „Ich glaube nicht, dass im Moment die Zeit ist, sich aufeinander zuzubewegen.“ Wie gesagt: Es ist Wahlkampf.

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