Das Unbehagen am Kapitalismus

Menschen wünschen sich eine Reform des Wirtschaftssystems.

London. Vom Hoffnungsträger zum Problemfall: Die freie Marktwirtschaft galt in der Wende-Ära als bestmögliches Wirtschaftssystem, doch mittlerweile wünscht sich die Mehrheit weltweit, dass der Kapitalismus gebremst und reformiert wird. Zu diesem Ergebnis kommt eine internationale BBC-Studie.

Nur elf Prozent der Menschen in 27 verschiedenen Nationen sind der Meinung, dass die freie Marktwirtschaft gut funktioniert und staatliche Eingriffe der Effizienz schaden. Ungebrochener Enthusiasmus für den Kapitalismus herrscht lediglich in vier Ländern: In den USA und in Pakistan findet mindestens jeder Fünfte die freie Marktwirtschaft gut, so wie sie ist. Innerhalb Europas äußern sich die Briten und die Polen am positivsten: Fast jeder Dritte lehnt hier trotz der Finanzkrise mehr staatliche Regulierung von Unternehmen ab.

Deutschland sticht aus der Studie am deutlichsten durch seinen Optimismus heraus, die Marktwirtschaft durch Reformen verbessern zu können: Drei Viertel aller Befragten halten Kapitalismus für "problematisch" und befürworten mehr Korrekturen seitens des Staates. 16 Prozent sind zufrieden mit der Marktwirtschaft, doch immerhin acht Prozent halten ein "komplett anderes System" für notwendig.

Die weltweite Unzufriedenheit mit dem Kapitalismus nimmt verschiedene Formen an: In Brasilien und Chile sehen zwei Drittel die Marktwirtschaft als mangelhaft, da sie es nicht schaffe, den Reichtum gleicher zu verteilen. 44 Prozent der Russen halten ihn sogar für so fehlerhaft, dass sie an seinem Fortbestand zweifeln.

"Es scheint, dass der Fall der Berliner Mauer nicht der überwältigende Sieg für die freie Marktwirtschaft gewesen ist, für den er gehalten wurde", sagt Doug Miller vom Umfrageinstituts GlobeScan, das im Auftrag der BBC 30.000 Menschen auf allen fünf Kontinenten befragte. Als Grund führt er "die Krise der vergangenen zwölf Monate" an.

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