Das schmusig weiche Wahlprogramm

2005 waren CSU und CDU mit kühnen Zielen angetreten und hatten damit viele Wähler verschreckt. Diesmal soll alles anders werden.

Berlin. Das Berliner Congress Center am Alexanderplatz ist unmöglich zu verfehlen. Den Versammlungsort von CDU und CSU erkennt man am Montag an den Protestständen von WWF. Am Vorabend hatte "Greenpeace" Wache gehalten. Die Umweltaktivisten rufen ein Thema in Erinnerung, das im Unions-Wahlprogramm keine Rolle spielt, obwohl es ein Streit der nächsten vier Jahre sein dürfte: der Atomausstieg.

Dahinter steckt ein Plan. 2005 stürzte sich Angela Merkel in den Wahlkampf mit einem Programm mit harten Kanten, einer Mehrwertsteuererhöhung zum Beispiel. An die Anzeigen der SPD "kann ich mich noch genau erinnern", sagt Merkel. 2009, nunmehr als Kanzlerin, probiert sie es anders herum und im gewissen Sinne nicht minder radikal: ohne anzuecken.

Selbst in der Unions-Führung gilt das Wahlprogramm von CDU und CSU als "wolkig". Es ist das neunte Wahlprogramm, das Horst Seehofer mitzeichnet und nach seiner Ansicht "eines der Besten" ist. Man horcht instinktiv nach einem ironischen Unterton. Es ist sein voller Ernst. Denn wichtiger als das Papier seien "in der Politik die Personen".

Das Programm der Union heißt Merkel. Hinter ihr verschwimmen im Congress Center zehn von elf Unions-Ministerpräsidenten in den Kulissen. Wenn er als CSU-Chef vor der Kanzlerin redet, kommt sich Seehofer nach seinen eigenen Worten wie ein Messdiener vor. Der Mann weiß, wofür er zuständig ist, hier und heute für den Weihrauch. Es ist Merkels "Krönungsmesse".

Weil das Programm so wolkig ist, fiel die Zustimmung leicht. Die Schwesterparteien waren sich schnell einig, ebenso wie die "Sozialausschüssler" und die Mittelständler in der Union. Alles fügt sich ineinander: dass es "nicht die Zeit für Experimente" ist, wie Generalsekretär Ronald Pofalla ausruft. Diesmal will die Union gewinnen - ohne Wahlkampf.

Merkel erwägt sogar ernsthaft, in der Woche vor der Wahl am 27.September für mindestens drei Tage in die USA zu fliegen: Für ein Treffen zur Vorbereitung des Klimagipfels, für die UN-Vollversammlung, für den G-20-Gipfel. Und im Erfolgsfall profiliert sich Merkel als Klimakanzlerin. Gibt es da eine bessere Werbung?

Weil sich die Europawahl für die Union wie ein Sieg anfühlt, sind die Zweifel am Wahlkampf verstummt. Obwohl, Fragen gibt es: Bringt Merkels Popularität Stimmen? Bringt das Parteiprogramm nicht viele auf falsche Gedanken, gerade, weil es so unbestimmt ist? So wie in der Steuerpolitik, wo prompt ein Streit ausbrach? "Manchmal braucht es Querdenker", sagt Merkel, "nun muss das in den nächsten 90 Tagen nicht so viel sein. Wir haben jetzt genug gedacht."

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