Bundeswehr Cyberkrieg: "Wir schnüffeln nicht beim Russen"

Die Bundeswehr rüstet sich für den Cyber-Krieg - Vorerst angeblich nur rein defensiv

Bundeswehr: Cyberkrieg: "Wir schnüffeln nicht beim Russen"
Foto: dpa

Berlin. Eine neue, die sechste Teilstreitkraft entsteht, mit Oberkommando in Bonn und 13.500 Soldaten. Dazu eine politisch koordinierende Abteilung im Berliner Verteidigungsministerium. Ressortchefin Ursula von der Leyen (CDU) verkündete gestern ein neues Zeitalter für die Bundeswehr: Deutschland rüstet sich für den Cyberkrieg.

IT- und Nachrichtenspezialisten aus anderen Teilstreitkräften wie Heer oder Marine, vornehmlich aber aus der Streitkräftebasis, werden in einer neuen Truppe zusammengefasst, die sich "Cyber- und Informationsraum" (CIR) nennt. Damit ist nicht etwa ein spezielles Zimmer gemeint, sondern das neue Schlachtfeld. Freilich sollen alle Soldaten weiter an ihren bisherigen Standorten bleiben, nur dass sie beginnend mit dem Jahr 2017 nach und nach dem neuen Inspekteur unterstellt werden. Es soll ein Dreisterne-General sein. 2021 soll die Internetarmee komplett aktionsfähig sein.

An der Bundeswehruniversität in München wird parallel ein eigener Studiengang Cyberabwehr für jährlich 70 Absolventen gegründet, um ihn herum sollen sich Start-Ups ansiedeln. "Wir suchen händeringend Nerds", heißt es, also Computerexperten. Eine entsprechende Kampagne ("Deutschlands Freiheit wird auch im Cyberraum verteidigt") läuft schon. Die Bundeswehr kann zwar nicht mit hohen Gehältern locken, wohl aber mit einer interessanten Aufgabe. Schließlich sind die Gegner oft Staaten oder halbstaatliche Organisationen, die Software vom Feinsten einsetzen. Die Angriffe auf die Bundestagscomputer oder die Zerstörung iranischer Uran-Zentrifugen durch ein von außen eingeschleustes Programm zeigen, was alles geht. Hybride Kriegsführung, bei der Militärisches und Ziviles verschwimmen, ist die Strategie der Zeit. Russland hat es auf der Krim vorgemacht.

Deutschland, bekannte von der Leyen, ist spät dran mit der Erkenntnis, dass es sich dagegen wappnen muss. "Wichtig ist, dass wir jetzt aufholen und ganz schnell Strecke machen". Denn, so die Analyse eines internen Aufbaustabes, Angriffe aus dem Cyber- und Informationsraum sind eine wachsende Gefahr für alle. Für die verletzliche Infrastruktur, für die Industrie, die zunehmend webbasiert arbeitet, aber auch für die Bundeswehr selbst. 7.200 Mal wurden im letzten Jahr Viren bei ihr eingeschleust, davon hatte eine "hohe zweistellige Zahl" die Qualität "hochwertiger Angriffe". Der Schutz der eigenen Systeme wird daher die erste Aufgabe sein. Daran wird im Nato-Verbund schon fleißig geübt, etwa wenn man bei entsprechenden Manövern gegenseitig versucht, sich die Radargeräte per Fernbefehl auszuschalten.

Die Cyberkrieg wirft zahlreiche rechtliche, moralische und politische Fragen auf, die schon im März bei einer Anhörung im Bundestag angerissen wurden und von denen einige gestern auch der Koalitionspartner SPD in einem 28 Punkte umfassenden Papier auflistete. Die Grünen wiesen ebenfalls sehr kritisch darauf hin. Wer ist der Gegner, und darf man ihn auch bekämpfen, wenn man ihn gar nicht genau lokalisieren kann? Darf man mit den gleichen Mitteln arbeiten (und zum Beispiel auch ein Atomkraftwerk per Internet angreifen)? Ist der Cyberkrieg eigentlich ein Auslandseinsatz, dem der Bundestag zustimmen muss, und wenn nicht, wieso wird die Bundeswehr dann im Innern tätig? Im Verteidigungsministerium war man diesbezüglich gestern deutlich um Abrüstung bemüht. Die Aufgabe sei "zuallererst Schutz", und das Bundesinnenministerium habe dabei klar die Führung. Falls die Cybertruppe doch einmal (vom Inland aus) im Ausland eingesetzt werden solle, müsse das weiterhin vorher vom Parlament genehmigt werden, auch jedes der dabei eingesetzten Mittel. "Wir schnüffeln nicht beim Russen", so die Beteuerung.

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