Cyberangriffe aus Russland: Hauptsache, Deutschland schaden

Neben Cyberangriffen und Propagandasendern setzt Putin zur Zersetzung der Demokratie auf eine Twitter-Armee — und die AfD.

Cyberangriffe aus Russland: Hauptsache, Deutschland schaden
Foto: dpa

Berlin. Anständige Menschen müssen nicht wissen, wer Jürgen F. ist. Der Hamburger bezeichnet politische Gegner als „psychopathologisch gestörte grün-linke Gutmenschen“ und sondert auf seinem Internet-Blog Hass-Botschaften ab. Wahrscheinlich würden seine Ergüsse („Steht Merkels Rücktritt kurz bevor?“, „Weshalb die Homo-Ehe eine historische Fehlleistung darstellt“) noch weniger Menschen lesen, wenn Russlands Propaganda-Maschine nicht so fleißig für ihn werben würde.

Seine Internetpräsenz gehört zu den Adressen, die russische Bots und Trolle über ihre Twitter-Konten am häufigsten verbreiten. Die überparteiliche „Alliance for Securing Democracy“ (Allianz zur Sicherung der Demokratie) macht nun erstmals sichtbar, „welche Auswirkungen Online-Beeinflussungsnetzwerke auf politische Prozesse in Deutschland haben.“

Dazu werden auf der „Dashboard“ genannten Plattform Themen und Inhalte abgebildet, die eindeutig russische Propaganda-Quellen wie RT Deutsch (Russia Today) und Sputnik, aber auch andere Twitter-Accounts, Trolle und Bots absetzen, die zur Verbreitung russischer Beeinflussung und Desinformation beitragen.

Aktuell zielten die in Echtzeit zu beobachtenden russischen Kampagnen hauptsächlich darauf ab, rechtspopulistische Inhalte zu verstärken, so die Dashboard-Betreiber: „Viele der betreffenden Artikel sind gegen Merkel, Geflüchtete und den Islam gerichtet — nur über die AfD wird positiv berichtet“, so die Alliance.

Von 18 entsprechenden Artikeln seien fünf direkte Empfehlungen, die AfD zu wählen, vier kritisieren und kriminalisierten die Kanzlerin für ihre Flüchtlingspolitik, fünf weitere seien fake news über angebliche Verbrechen von Geflüchteten und Asylbewerber, vier weitere schürten Angst vor Islamisierung und islamistischer Gewalt.

Hinter der „Alliance for Securing Democracy“ steckt der German Marshall Fund of the United States (GMF), jener berühmte „Marshall-Plan“, dessen Finanzmittel nach dem Zweiten Weltkrieg zum Gründungsmythos der Bundesrepublik gehörten. Vorbild ist ein amerikanisches Projekt des GMF, das auf den Namen „Hamilton 68“ hört.

Zum Hintergrund: Alexander Hamilton (1757-1804) war einer der Väter der amerikanischen Verfassung und der maßgebliche Autor der „Federalist Papers“. Diese Serie von 85 Artikeln in den Jahren 1787 und 1788 sollte die New Yorker von der Annahme der neuen Verfassung überzeugen. Im Federalist Paper 68, das sich mit der Wahl des Präsidenten befasst, schrieb Hamilton: „Von diesen tödlichsten Gegnern der republikanischen Regierung wurden vielleicht natürlich Angriffe aus mehr als einem Köcher erwartet, aber vor allem aus dem Verlangen von fremden Mächten, einen unangemessenen Aufsteiger in unseren Räten zu gewinnen ( . . .) durch die Erhebung einer eigenen Kreatur zum Oberhaupt der Union . . .“

Ein gemeinsamer Report von CIA, FBI und NSA kam im Januar für die USA zu dem Schluss, Putin persönlich habe eine Kampagne gegen die US-Wahl angesetzt: „Die Ziele Russlands waren, den öffentlichen Glauben im US-amerikanischen demokratischen Prozess zu untergraben, Hillary Clinton zu verurteilen, ihre Wählbarkeit und potenzielle Präsidentschaft zu verhindern.“

Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, betonte erst Anfang des Monats im „Tagesspiegel“ neben Hackerangriffen die Möglichkeit ausländischer Kampagnen, „die das Ziel haben, den Ausgang der Wahl zu beeinflussen“. Die Vorstellung, Putin wolle bestimmen, wer in Deutschland Kanzler werde, weisen Verfassungsschützer allerdings zurück: Die russische Regierung werde einfach von rechts bis links alles unterstützen, was die Demokratie zersetze und Deutschland schade.

Was andererseits rechte Parteien wie die AfD europaweit in Putins Arme treibt, hat der österreichische Europa-Politiker Michel Reimon (Grüne) in einem lesenswerten Buch zusammengefasst: „Putins rechte Freunde: Wie Europas Populisten ihre Nationen verkaufen“ (128 Seiten, Falter Verlag, 16,90 Euro).

Reimon sieht die AfD sogar als Vorreiterin in Europa in „Putins fünfter Kolonne“. Sie könne für Putin „als stabilisierender Bündnispartner“ in den Kontakten zu Donald Trump eine wichtige Rolle spielen, weshalb Reimon die Bemerkung der AfD-EU-Abgeordneten Beatrix von Storch ernst nimmt, es gebe „gewisse Schnittmengen“ zu Trump: „Sie hat natürlich recht. Er stärkt die gesamte europäische Rechte, da sie sich in ihrem faschistoiden, xenophoben und sexistischen Weltbild bestätigt fühlt und noch mehr Nähe zu Wladimir Putin sucht.“

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