Mögliche Sanktionen Bürgerrechtler und Journalisten kritisieren Telegram-Blockade

Berlin · Bundesinnenministerin Nancy Faeser will sich nicht damit abgeben, dass der Messengerdienst Telegram Löschanfragen aus Deutschland wegen Hassrede und Gewaltaufrufen einfach ignoriert. Doch die von ihr ins Gespräch gebrachten Maßnahmen rufen Kritiker auf den Plan.

 Die von Bundesinnenministerin Nancy Faeser vorgeschlagenen Sanktionen gegen Telegram stoßen auf Kritik.

Die von Bundesinnenministerin Nancy Faeser vorgeschlagenen Sanktionen gegen Telegram stoßen auf Kritik.

Foto: dpa/Fabian Sommer

Die von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vorgeschlagenen Sanktionen gegen den Messenger-Dienst Telegram stoßen bei Medienvertretern und Bürgerrechtlern auf Kritik. Der Moskau-Korrespondent der ARD, Demian von Osten, verwies am 20. Januar auf Twitter darauf, dass sein Team ohne Telegram mit Oppositionellen in Belarus wegen der Kontrolle durch den Geheimdienst überhaupt nicht kommunizieren könne.

Die Korrespondentin Natalie Amiri schrieb auf Twitter: „In Demokratien sind Messengerdienste wie #Telegram eine Schwächung fürs System, in totalitären Regimen oft der einzige Weg der einigermaßen freien Kommunikation der Zivilbevölkerung.“

Faeser hatte angekündigt, Apple und Google wegen Gewaltaufrufen und Hetze auf Telegram aufzufordern, die App aus ihrem Angebot zu verbannen. Sie wolle die beiden Firmen an ihre „gesellschaftliche Verantwortung“ erinnern, sagte die Ministerin. Zuvor hatte sie in einem Interview damit gedroht, Telegram „abzuschalten“, ohne allerdings auf technische oder rechtliche Details einzugehen.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) erklärte am Donnerstag, ein Verbot von Telegram in den App-Stores behindere die Meinungsfreiheit. Ein solcher Schritt wäre auch unverhältnismäßig, sagte Joschka Selinger, Verfahrenskoordinator im rechtlichen Team der GFF. Eine Blockade stelle keine Lösung dar, zumal Nutzer eines Android-Smartphones die App direkt bei Telegram herunterladen könnten. „Die Kollateralschäden sind auch viel zu weitreichend, weil Aktivitäten behindert werden, die völlig legitim sind.“

Der GFF-Jurist verwies darauf, dass der Druck auf Apple und Google offenbar der einzige Weg sei, um Telegram zu einer Kooperation zu bewegen. Es sei ein großes Problem, den großen Konzernen die Rolle dessen zu überlassen, der entscheiden müsse, welche App angeboten werden dürfe und welche nicht. „Gleichzeitig schöpfen die Sicherheitsbehörden nicht alle Mittel aus, um gegen Hassrede und Drohungen vorzugehen.“

Henning Tillmann, Sprecher des Digitalvereins D64, erklärte, man müsse zwischen dem Kampf gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität auf der einen Seite und dem Nicht-Handeln von Telegram auf der anderen Seite unterscheiden. Er forderte die Sicherheitsbehörden auf, mehr Personal für die Fahndung im Netz einzusetzen. In den Kanälen, denen jeder beitreten könne, werde teilweise Hass offen mit Klarnamen zur Schau gestellt. Davon getrennt müsse man das Problem der Firma Telegram sehen, „die sich nicht um EU- oder deutsches Recht kümmert, nicht antwortet, nicht zahlt, nicht moderiert“.

Tillmann schrieb, Telegram sei kein Start-up mehr, habe mehr 500 Millionen Nutzer und müsse Verantwortung übernehmen. „Ist Geoblocking eine Lösung? NEIN! Sowohl technisch als auch juristisch quasi unmöglich.“ Eine Entfernung aus dem App-Store sei dagegen als „als letztes Mittel vielleicht schon“ denkbar. Der D64-Sprecher verwies auf die kommerziellen Ambitionen von Telegram. Das Unternehmen wolle noch in diesem Jahr Werbung einführen. Ein App-Store-Verbot sei eine „Ultima Ratio“. Zuvor sollten die deutschen Behörden in Dubai, dem Sitz von Telegram, kooperieren.

Apple wollte nicht Stellung nehmen. Eine Google-Sprecherin erklärte, generell äußere sich Google nicht zu einzelnen Apps. „Wenn wir jedoch über eine App informiert werden, die möglicherweise gegen unsere Google Play-Richtlinien verstößt oder wir eine behördliche Löschungsanfrage erhalten, prüfen wir sie und ergreifen gegebenenfalls Maßnahmen, zu denen auch die Sperrung der App gehören kann.“ Mit dem Bundesinnenministerium sei Google im Austausch.

(dpa)
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