Brüderle, der gelbe „Problembär“

Bundestag: Opposition wirft Wirtschaftsminister Mangel an Visionen vor.

Berlin. Die Erwartungen waren groß: Das Land steckt in der schwersten Krise, Opel und Karstadt stehen mit dem Rücken zur Wand, viele Banken hängen am Tropf des Staates. Rainer Brüderle hielt am Mittwoch im Bundestag seine erste Rede als Wirtschaftsminister. Die dauerte knapp neun Minuten. Die Opposition reagierte fassungslos: Der FDP-Mann habe nur geplaudert und kein Konzept vorgelegt.

Wer austeilen kann, muss auch einstecken: Es war im Juni 2006, als Brüderle im Parlament einen seiner berühmt-berüchtigten Sprüche losließ. Der stellvertretende Chef der FDP verspottete den damaligen Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) als "Problembären" von Schwarz-Rot. Dieses Brandzeichen bekam Glos nicht mehr aus dem Fell. Zermürbt von schlechten Schlagzeilen und den Sticheleien seines Parteichefs Horst Seehofer schmiss er im Frühjahr 2009 die Brocken hin.

Die CSU schickte Karl-Theodor zu Guttenberg ins altehrwürdige Ministerium in Berlin-Mitte. Der junge Freiherr trumpfte auf. In nur sieben Monaten machte er sich als kluger und standhafter Politiker in den Krisenfällen Opel und Quelle einen großen Namen. Partei, Medien und Wähler lagen ihm zu Füßen. Auch die 1500 Beamten, die unter dem Bedeutungsverlust des Ministeriums in der Ära Glos gelitten hatten, waren Feuer und Flamme. Die ein oder andere Träne floss, als der 37-jährige Guttenberg sich nach der Wahl ins Verteidigungsministerium verabschiedete.

Brüderle trat bei der Amtsübergabe vor zwei Wochen in der Aula des Ministeriums die Flucht nach vorne an. Er wolle und könne sich nicht verbiegen. Er sei nun mal eine Frohnatur. Es sei nicht verkehrt, dass der frühere Geistliche Peter Hintze (CDU) als Staatssekretär an Bord bleibe. "Manchmal brauche auch ich Absolution."

Viele politische Beobachter hatten nun erwartet, dass Brüderle im Bundestag eine flammende Rede hält. Er kennt die Nöte des Mittelstands aus dem Effeff, hat seit Jahrzehnten beste Kontakte in die Wirtschaft. Doch Brüderle kommt mit knapp neun Minuten aus. Er kritisiert die Banken, lobt Steuersenkungen und sagt ein paar Sätze zu Opel.

Als er wieder auf der Regierungsbank sitzt, bricht ein rot-grün-dunkelroter Sturm der Entrüstung über ihn herein. Noch-SPD-Generalsekretär Hubertus Heil redet sich in Rage. Zur Klima- und Energiepolitik habe Brüderle kein Wort verloren. "Das war ganz dünne Suppe", schimpft Heil. Der Wandel vom "Dampfplauderer" zum staatstragenden Politiker sei wohl schwerer als gedacht. Brüderle drohe, in den Fußstapfen von Glos jetzt selbst zum "Problembären" zu werden.

Kerstin Andreae (Grüne) wirft Brüderle vor, in diesen schweren Zeiten keine Vision für den Weg aus der Krise zu haben: "Ich befürchte, uns stehen vier verlorene Jahre bevor."

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