Bill Clintons Triumph

Der frühere US-Präsident war offenbar nicht nur in Pjöngjang, um die inhaftierten Journalistinnen heimzuholen.

Washington/Seoul. Es war der erste Coup, der erste unerwartete außenpolitische Schachzug der noch jungen Regierung von US-Präsident Barack Obama. Eine diplomatische Blitzaktion, wie sie im Buche steht: Ex-Präsident Bill Clinton, Gatte der Außenministerin Hillary, hebt unerkannt in Richtung Nordkorea ab, sitzt dreieinhalb Stunden mit Machthaber Kim Jong Il zusammen, den westliche Staatsmänner ansonsten wie einen Paria meiden.

Nach 20Stunden fliegt Clinton zurück in die Heimat - zusammen mit den freigelassenen amerikanischen Journalistinnen Laura Ling und Euna Lee. Experten rätseln, was sich in Pjöngjang abgespielt hat: Voller Erfolg einer "humanitären Aktion", Anstoß für Bewegung im Atomkonflikt - oder politische Aufwertung eines alternden Diktators?

Schon die Bilder, die das Fernsehen des kommunistischen Staates ausstrahlte, sprechen Bände. Da stehen die beiden Männer, nebeneinander: Kim Jong Il (67), strahlend, ein Mann, der den Augenblick genießt, auf den er lange gewartet hat. Und da steht Bill Clinton (62). Der ansonsten chronisch gut gelaunte Mann verzieht keine Miene, nicht der Anflug eines Lächelns ist auszumachen. Warmherziges Händeschütteln, eine spontane Umarmung - nicht auszudenken.

In Washington war klar, dass die Freilassung der beiden Reporterinnen einen Preis hat, dass das Regime den Besuch propagandistisch ausschlachten wird. Seit Jahren sei es das Ziel Pjöngjangs, mit den USA auf Augenhöhe zu verhandeln, so die "Washington Post". Die Sechs-Staaten-Gespräche über das umstrittene Atomprogramm will das Regime nicht mehr, stattdessen will Pjöngjang direkt mit den USA sprechen.

Doch der gesundheitlich angeschlagene Diktator hat auch persönliche Gründe gehabt: Durch das lange Treffen samt Abendessen mit Clinton hat Kim bewiesen, dass er körperlich und geistig fit ist. Dies könnte ihn stärken, wenn er in naher Zukunft seine Nachfolge klären will. Andere Experten sprechen von deutlich weitergehenden Hintergedanken.

"Die ungewöhnliche Gastfreundschaft gegenüber Clinton könnte ein Zeichen sein, wie verzweifelt Nordkorea versucht, den Konflikt zu entschärfen und die Beziehungen zu den USA zu verbessern", meinte ein südkoreanischer Diplomat. Der wahre Grund für die Freundlichkeiten sei womöglich die anhaltend schlechte Wirtschaftslage - und der Wunsch nach Hilfe.

Von Anfang an hatte Pjöngjang die beiden festgehaltenen Frauen wie zwei Bauernfiguren im Schachspiel der Diplomatie eingesetzt. Nordkorea hatte bereits kurz nach deren Festnahme im März klargemacht, dass es den Besuch eines hochrangigen US-Politikers erwarte. Mehrere Vorschläge, darunter der ehemalige Vize-Präsident Al Gore, habe das Regime abgelehnt, hieß es.

Das Weiße Haus sprach von einer "ausschließlich privaten" Reise zur Freilassung der Frauen. Zwar habe Obama nicht persönlich mit Clinton vor der Reise gesprochen, versichern Regierungsvertreter. Aber seine engsten Helfer wie Sicherheitsberater James L. Jones hätten mit Clinton Kontakt gehabt - das Weiße Haus war mehr als nur "eingeweiht". US-Medien zitierten Regierungsvertreter, die bereits von möglichen bilateralen Treffen zwischen beiden Ländern sprechen.

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