Welle der Gewalt in Ägypten: Mursi verhängt Ausnahmezustand

Kairo/Istanbul (dpa) - Nach Krawallen mit Dutzenden von Toten hat Ägyptens Präsident Mohammed Mursi für 30 Tage den Ausnahmezustand für drei Städte am Suez-Kanal angeordnet.

Mit Ausgangssperren und der Macht des Militärs will er die Spirale der Gewalt durchbrechen, bei der ein Jahr nach den schlimmsten Fußballkrawallen in der Geschichte Ägyptens am Wochenende außerdem Hunderte Menschen verletzt wurden.

In Port Said, Suez und Ismailia gilt von Montag an auch eine Ausgangssperre zwischen 9 Uhr abends und 6 Uhr morgens, wie das islamistische Staatsoberhaupt am Sonntagabend in einer vom Staatsfernsehen übertragenen Rede verkündete. „Wenn die Nation in Gefahr ist, muss ich harte Maßnahmen ergreifen.“

Auslöser der jüngsten Gewaltwelle unmittelbar nach dem zweiten Jahrestag der Revolution war die Verhängung der Todesstrafe gegen Anhänger des Fußballklubs Al-Masri aus Port Said. Ihnen wird vorgeworfen, am 1. Februar 2012 im Fußballstadion mit brachialer Gewalt auf Fans des Kairoer Vereins Al-Ahli losgegangen zu sein. Damals hatten unmittelbar nach Abpfiff Fans der Heimmannschaft das Spielfeld gestürmt und waren mit Brechstangen, Messern und Schusswaffen auf die Unterstützer des rivalisierenden Klubs losgegangen. 74 Menschen starben.

Von den Al-Masri-Fans wurden später 61 wegen Mordes angeklagt. Neun Polizisten wurden wegen Nachlässigkeit im Dienst vor Gericht gestellt, weil sie die Fans vor dem Spiel nicht gründlich nach Waffen durchsucht hätten. Sie waren nicht unter den Verurteilten vom Wochenende. Für die Polizisten und die übrigen Angeklagten fällt der Richterspruch am 9. März. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Anhänger des Vereins Al-Ahli feierten die Entscheidung der Richter am Samstag. In Port Said eskalierte dagegen die Gewalt, als eine wütende Menschenmenge versuchte, ein Gefängnis zu stürmen und die Verurteilten zu befreien. 31 Menschen starben, darunter auch zwei Polizisten.

Bei einem Trauermarsch für die Opfer der Krawalle mit Tausenden Teilnehmern in Port Said kam es am Sonntag erneut zu Ausschreitungen. Es gab heftige Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften, Schüsse waren zu hören, Tränengas wurde eingesetzt. Dabei kamen sieben Menschen ums Leben, Hunderte wurden verletzt.

Die Fans in Port Said werfen den Richtern ein politisches Urteil vor. Fußballfans würden geopfert, um die Ultras aus Kairo zu besänftigen, beklagten einige. Jüngst hatte die Staatsanwaltschaft neue Beweise eingebracht, die in diesen Richterspruch nicht eingeflossen sind.

Der schwarze Tag des ägyptischen Fußballs gilt längst als Symbol für die desolate Lage im Land. Präsident Mursi zählte die 74 Toten vor wenigen Tagen zu den offiziellen „Märtyrern der Revolution“.

Auch in Kairo kam es am Wochenende immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Regierungsgegnern und der Polizei. Am Sonntag - in Ägypten ein Arbeitstag - blieben aus Sicherheitsgründen ausländische Vertretungen geschlossen. Die US-Botschaft, deren Gebäude etwa 300 Meter vom zentralen Tahrir-Platz entfernt ist, kündigte im Internet an, an dem Tag keine Visa-Antragsteller zu empfangen.

Nach Behördenangaben wurden wegen Krawallen in der Hauptstadt 68 Menschen festgenommen. Die Muslimbruderschaft machte „Vandalen“ und „Saboteure“ für die Ausschreitungen verantwortlich.

Ägyptens wichtigster Oppositionsblock machte wiederum den Präsidenten für das brutale Vorgehen von Sicherheitskräften gegen Demonstranten verantwortlich. Ein unabhängiges Gremium solle ermitteln und die Täter zur Rechenschaft ziehen, verlangte die Nationale Rettungsfront. Zugleich drohten die Oppositionellen mit einem Boykott der im Frühjahr geplanten Parlamentswahl, falls ihre Forderungen nach politischen Reformen nicht erfüllt werden.

Am Freitag, dem Jahrestag der Revolution, die im Sturz von Langzeitmachthaber Husni Mubarak endete, waren bei Anti-Regierungsprotesten in Suez mehrere Menschen ums Leben gekommen.

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