Webcam-Chats: Wie der britische Bruder uns beobachtet

Das Abgreifen von Webcam-Daten durch den GCHQ erinnert an Orwells Anti-Utopie „1984“.

Webcam-Chats: Wie der britische Bruder uns beobachtet
Foto: dpa

London. Berichte über das Abfangen von Webcam-Chats durch den britischen Geheimdienst GCHQ wecken nicht nur bei Verschwörungs-Theoretikern schlimme Befürchtungen. Man fühlt sich an die düsteren Überwachungs-Visionen vom „Großen Bruder“ aus George Orwells Anti-Utopie „1984“ erinnert. Laut neuesten Enthüllungen aus dem Fundus von Whistleblower Edward Snowden scheint der GCHQ den Roman als Ideengrube entdeckt zu haben. So muss jeder, der seit 2008 den Videochat-Dienst des Internet-Konzerns Yahoo benutzt hat, davon ausgehen, dass Standbilder aus seinen Unterhaltungen in London gelandet sein könnten.

Der britische Nachrichtendienst GCHQ zapft mit dem Programm „Tempora“ Unterseekabel an, über die Internetdaten von Europa nach Amerika geschickt werden, berichtete der „Guardian“ bereits im vergangenen Juni. Aus der Datenflut werden Informationen aus Webcam-Chats herausgefiltert. Das Programm heißt „Optic Nerve“, auf Deutsch Sehnerv. Die Unterlagen von Snowden stammen aus den Jahren 2008 bis 2010, noch 2012 sei es aktiv gewesen.

Nein, das würde die Speicherkapazität des GCHQ sprengen. Stattdessen wird den Unterlagen zufolge alle fünf Minuten ein Bildschirmfoto gemacht.

Sie landen in einer Datenbank, die mit Hilfe der NSA-Software „XKeyscore“ durchsucht werden kann. Bei der Suche nach einer Zielperson werden den Geheimdienst-Mitarbeitern auch Fotos von Menschen angezeigt, die einen ähnlichen Nutzernamen gewählt haben wie der Verdächtige, schreibt der „Guardian“. Damit geraten möglicherweise zahlreiche Unverdächtige ins Visier des GCHQ.

Allein in einem Zeitraum von sechs Monaten im Jahr 2008 hat der Geheimdienst dem Bericht zufolge Bilder von 1,8 Millionen Yahoo-Nutzern eingesammelt. Ein nicht unwesentlicher Teil zeige „ungewollte Nacktheit“, räumt der Geheimdienst ein. Drei bis elf Prozent des Materials seien pornografisch.

„Yahoo Webcam ist dafür bekannt, von Zielpersonen des GCHQ genutzt zu werden“, heißt es dem „Guardian“ zufolge in den Unterlagen. Yahoo reagierte empört. Das Unternehmen stellte Anfang des Jahres seinen E-Mail-Dienst so ein, dass die Kommunikation standardmäßig verschlüsselt wird.

Anders als bei Spionagesoftware, die Computer komplett unter ihre Kontrolle bringen kann, greift der GCHQ in diesem Fall Daten ab, die bei Videounterhaltungen im Netz anfallen. „Optic Nerve“ greift also nicht auf ausgeschaltete Webcams zu.

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