Verfassungsreferendum in Ägypten - Elf Tote bei Gewalt

Kairo (dpa) - Zum dritten Mal in drei Jahren stimmt Ägypten über eine neue Verfassung ab. Am Dienstag begann landesweit ein zweitägiges Referendum, bei dem 53 Millionen Bürger zur Abgabe ihrer Stimme aufgefordert sind.

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Der Verfassungsentwurf beinhaltet mehr Rechte für die Bürger, privilegiert aber auch das ohnehin mächtige Militär, wie Menschenrechtsaktivisten und Experten kritisieren. Zusammenstöße und Gewaltakte am Rande mit insgesamt elf Toten überschatteten das Votum, beeinflussten aber die Stimmabgabe am ersten Tag nicht. Die Zustimmung einer klaren Mehrheit gilt als gesichert.

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UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte ein Ende der Gewalt. Er verfolge den Prozess der Abstimmung über eine neue Verfassung sehr genau, sagte Ban am Dienstag laut einer von den Vereinten Nationen verbreiteten Mitteilung. Er rief alle Beteiligten auf, ihre Meinungsverschiedenheiten gewaltlos auszutragen und sicherzustellen, dass die kommende Übergangsphase transparent und friedlich ablaufe. Versammlungs- und Meinungsfreiheit müssten geachtet werden.

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Das Votum soll auch den Umsturz im vergangenen Juli rechtfertigen, mit dem das Militär den gewählten islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi nach Massenprotesten aus dem Amt entfernte. Eine starke Beteiligung am Urnengang könnte den Architekten des Coups, Militärchef Abdel Fattah al-Sisi, in seiner Absicht bestärken, bei Wahlen in diesem Jahr für das Amt des Präsidenten zu kandidieren.

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Die Abstimmung läuft unter enormen Sicherheitsvorkehrungen ab. 250 000 Soldaten und Polizisten seien im Einsatz, um die rund 30 000 Wahllokale zu schützen, berichteten ägyptische Medien. Kurz vor Öffnung der Wahllokale um 8.00 Uhr (MEZ) explodierte vor einem Gerichtsgebäude in Kairo ein Sprengsatz. Verletzt wurde niemand, wie ein Sprecher der Polizei sagte.

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Die Abstimmung selbst verlief weitgehend ohne Zwischenfälle. Reporter der Nachrichtenagentur dpa in Kairo berichteten von Menschenmengen, die vor den Wahllokalen in Feierstimmung warteten. Selbst in Al-Arisch, der Hauptstadt der Unruheprovinz Nord-Sinai, verlief die Abstimmung am ersten Tag friedlich. Bei Zusammenstößen zwischen Islamisten und Sicherheitskräften wurden insgesamt elf Menschen getötet und 28 weitere verletzt, teilte das Gesundheitsministerium am Abend in Kairo mit.

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Die Wahllokale schlossen um 20.00 Uhr (MEZ). Auch am Mittwoch wird zwischen 8.00 und 20.00 Uhr (MEZ) gewählt. Die Ergebnisse sollten danach innerhalb von 72 Stunden veröffentlicht werden, teilte die Wahlkommission mit.

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Militärchef Al-Sisi, mehrere linksgerichtete und liberale Parteien und fast alle Medien riefen die Wähler dazu auf, für den Verfassungsentwurf zu stimmen. Als Oberkommandierender der Streitkräfte und Verteidigungsminister gilt Al-Sisi als der eigentlich starke Mann der ägyptischen Politik.

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Die Muslimbruderschaft, aus deren Reihen der gestürzte und seitdem inhaftierte Präsident Mursi kommt, appellierte an ihre Anhänger, den Urnengang zu boykottieren. Werbung für ein „Nein“ zur Verfassung oder einen Boykott war praktisch nicht möglich. Mehrere Aktivisten einer kleineren, gemäßigt-islamischen Partei wurden deswegen verhaftet.

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In den Straßen von Kairo und selbst an den Eingängen zu vielen Wahllokalen hingen zahllose Plakate mit dem Slogan „Ja zur Verfassung, Nein zum Terrorismus“. Die Führung des Landes beschuldigt die Muslimbruderschaft, hinter den Anschlägen zu stecken, die seit deren Entmachtung zugenommen haben.

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Seit dem Rücktritt des Langzeitpräsidenten Husni Mubarak Anfang 2011 infolge von Massenprotesten hat sich in Ägypten keine stabile Ordnung etabliert. Einen Monat nach dem Abgang Mubaraks hatte der damals herrschende Militärrat die Wähler über eine Verfassungserklärung für den Übergang zu demokratischen Verhältnissen abstimmen lassen.

Im Dezember 2012 billigte die Mehrheit der Wähler in einem Referendum mit niedriger Beteiligung eine Verfassung, die von den damals regierenden Islamisten im Alleingang ausgearbeitet worden war und einige Vorrechte für Religionsgelehrte enthielt. Dieses Grundgesetz wurde nach dem Sturz Mursis im vergangenen Juli vom Militär aufgehoben.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bezeichnete das Referendum am Dienstag als „kleinen Hoffnungsschimmer“. Eine gelungene Abstimmung sei aber noch keine politische Lösung für das Land.

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