US-Demokraten in TV-Debatte auf Kuschelkurs

Las Vegas (dpa) - Irgendwann nach gut einer Stunde, nach etwas Geplänkel um Kapitalismus und Waffenreform, streckt Hillary Clinton die Hand aus. Neben ihr steht Bernie Sanders, der selbst erklärte „demokratische Sozialist“ aus Vermont, der Clinton im US-Vorwahlkampf eigentlich das Wasser abgraben wollte.

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Doch soeben hat der schroffe Senator für seine Konkurrentin eine Lanze gebrochen, hat ihre seit fünf Monaten flackernde Email-Affäre mit einem Satz von der Bildfläche gewischt. „Das amerikanische Volk hat die Diskussion über Ihre verdammten Emails satt“, ruft Sanders. „Genug von den Emails!“

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Der ehemaligen Außenministerin spricht er aus der Seele. „Danke, Bernie, danke.“ Auf dem lauten Applaus im Saal will auch Martin O'Malley mitsurfen, und so fügt der Ex-Gouverneur von Maryland schnell hinzu: „Wir müssen uns nicht durch den Email-Skandal definieren lassen.“ Eine zaghafte, fast höfliche Attacke vom irgendwie verängstigt wirkenden Ex-Senator Lincoln Chafee beantwortet Clinton gar nicht erst - und grinst.

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Hatte der milliardenschwere Reality-Star Donald Trump die teils völlig verdatterten Republikaner bei deren TV-Debatte aus der Bahn geworfen, ist bei den Demokraten Gruppenkuscheln angesagt. Bildung, Familie, Klima, Einkommen - immer wieder reichen sich die Bewerber rhetorisch die Klinke in die Hand. Der Umgang mit Russlands Präsident Wladimir Putin, der geflüchtete Whistleblower Edward Snowden, die Reform der NSA-Spionage: An diesem Abend hören die Amerikaner vor allem Positionen, in denen die fünf Kandidaten sich einig sind.

Selbst die abweichenden Meinungen zur von Clinton geforderten Flugverbotszone über Syrien erinnern nach dem Trump-Feuerwerk eher an eine Podiumsdiskussion. Sanders wird in seinen Wutreden über die Wall Street, über den „Casino-Kapitalismus“ und die Reichsten der Reichen hier und da etwas lauter. Ernste Frontalattacken gegen die 67-Jährige Top-Favoritin vermeidet er - trotz der Steilvorlagen von Moderator Anderson Cooper. Statt den Anti-Clinton zu spielen, will er seine linksgerichtete Botschaft auch zur demokratischen Mitte tragen.

Und Clinton glänzt. Souverän und bestens vorbereitet pariert sie auch indirekte Angriffe der vier Männer im dunklen Zwirn. Die Anwältin und die zwei Dutzend Debatten des Vorwahl-Marathons von 2008 glühen auf durch die kühle Fassade der gern als abgehoben kritisierten Ex-Chefdiplomatin. Selbst politische 180-Grad-Wendungen zu Themen wie Einwanderung, Homo-Ehe, Irak-Invasion oder dem Handelsabkommen TPP verkauft sie dem Publikum irgendwie als „Beständigkeit“. Denn letztlich, erklärt Clinton, hätten sich über den Zeitraum dieser Debatten ja auch die Fakten geändert.

Auch der Terroranschlag auf das Konsulat im libyschen Bengasi, der die damalige Außenministerin sonst verfolgt wie ein böser Traum, kann ihr an diesem Abend nichts anhaben. „Wir hatten nicht die nötigen Werkzeuge“, nimmt O'Malley sie in Schutz. „Wir als Land haben versagt.“ Virginias Ex-Senator Jim Webb schließt sich an: „Es geht nicht um Bengasi an sich.“ Ein Republikaner hätte hier knallhart mit Clinton abgerechnet und ihr sämtliche Verantwortung für den Tod der vier Diplomaten zugeschoben - in Las Vegas regiert Harmonie.

Während Vietnam-Veteran Webb über seine zu kurze Redezeit mault, wirkt Chafee rechts außen nur noch verloren. Seine heute aus seiner Sicht bedauerliche Abstimmung im Senat zu einem Bankengesetz begründet er mit dem Tod seines Vaters, und dass er gerade erst neu in der Parlamentskammer gewesen sei. Auf die Nachfrage Coopers sagt Chafee: „Ich finde, Sie sind etwas hart.“ O'Malley macht eine gute Figur, aber ein wirklich zündender Funke springt nicht über.

Und dann steht da noch ein sechstes, leeres Rednerpult, irgendwo abseits der Bühne. Das Pult von Joe Biden. Bis kurz vor knapp orakeln Insider über die seit zehn Wochen im Raum stehende Kandidatur des Vizepräsidenten, und auch CNN will für den Fall einer kurzfristigen Teilnahme Bidens gewappnet sein. Die „Washington Post“ rechnet aus, wann der 72-Jährige die Hauptstadt verlassen müsste, um den politischen Schlagabtausch in Nevada noch zu erreichen. Doch in Las Vegas, dem Show-Himmel und der Spiel-Hölle, sucht man ihn vergebens. Biden ist der wichtigste Zuschauer an diesem Abend.

Auf der anderen Seite des Landes, im mehr als 3300 Kilometer entfernten Wohn- und Regierungssitz des Präsidenten, dürfte der sanfte Zwist auch den Amtsinhaber erreicht haben. Teile der Debatte werde Barack Obama vermutlich verfolgen, hatte sein Sprecher Josh Earnest verraten. Die vollen zwei Stunden sei Obama das Gezerre um seine Nachfolge dann aber wohl doch nicht wert, sagt Earnest. „Heute Abend steht ziemlich guter Playoff-Baseball auf dem Programm.“

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