UN: 2400 Tote im Irak im Juni

Bagdad (dpa) - Durch die Kämpfe zwischen Armee und Isis-Extremisten sind im Juni so viele irakische Zivilisten getötet und verletzt worden wie noch nie in diesem Jahr.

UN: 2400 Tote im Irak im Juni
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Unter den insgesamt 2400 Toten waren 1531 Zivilisten, wie die UN-Mission mitteilte. Laut Unami wurden zudem fast 2300 Menschen verletzt, darunter mehr als 1700 Zivilisten. Ungeachtet dieser hohen Zahlen hat sich der Streit der Parteien in Bagdad um die künftige politische Führung weiter verschärft. Der Chef der Terrorgruppe Isis, Abu Bakr al-Baghdadi, rief in einer über das Internet verbreiteten Audiobotschaft die Muslime auf, in den „Heiligen Krieg“ zu ziehen.

Die erste Sitzung des neu gewählten Parlaments wurde am Dienstag nach einem heftigen Wortwechsel der Abgeordneten auf die nächste Woche vertagt. Die Mitglieder des Hauses konnten sich nicht auf einen Kandidaten für das Amt des Parlamentspräsidenten einigen. Kurdische und sunnitischen Abgeordnete verließen aus Protest die Sitzung, wie irakische Medien berichteten.

Die Terrormiliz Islamischer Staat im Irak und in Syrien (Isis) hatte Anfang Juni ihren Vormarsch begonnen. Sie beherrscht mittlerweile große Landesteile im Norden und Westen des Irak. Armee und Isis-Einheiten liefern sich seit Tagen heftige Gefechte, vor allem um die Stadt Tikrit 170 nordwestlich von Bagdad.

Die Armee vermeldete am Dienstag die Einnahme eines Armeestützpunktes vier Kilometer südlich der Stadt, wie das Nachrichtenportal „Shafaaq News“ berichtete. Zugleich hätten sich die Einheiten von der Universität in Tikrit zurückgezogen, die die Regierungseinheiten am Montag nach eigenen Angaben eingenommen hatten.

Isis-Chef Al-Baghdadi kündigte in der Audiobotschaft Rache für Unrecht an Muslimen an. „Selbst wenn es eine Weile braucht, wir werden uns rächen (...)“, sagte er. Zugleich verhöhnt er Frieden, Freiheit, Demokratie und Säkularismus als „irreführende Slogans“ von Ungläubigen.

Hauptaufgabe des irakischen Parlaments ist die Wahl einer neuen politischen Führung. Sie gilt als wesentliche Voraussetzung, um den Vormarsch der Isis-Milizen stoppen zu können. Der umstrittene schiitische Ministerpräsident Nuri al-Maliki ist seit 2006 im Amt und möchte wiedergewählt werden. Seine Rechtsstaats-Allianz hatte bei den Wahlen Ende April als stärkste Kraft abgeschnitten. Ihm fehlen aber für eine Wiederwahl Koalitionspartner.

Schiitische, sunnitische und kurdische Politiker fordern Al-Malikis Rückzug. Sie werfen ihm vor, seine von Schiiten dominierte Regierung diskriminiere Sunniten und habe so den Boden für den Isis-Vormarsch bereitet. Der Regierungschef ist im Irak ein Schiit, der Präsident ein Kurde und der Parlamentspräsident ein Sunnit.

Im Parlament kam es am Dienstag zu einem Wortgefecht, nachdem eine kurdische Abgeordnete Al-Maliki aufgeforderte hatte, die „Blockade“ der kurdischen Autonomiegebiete aufzuheben und die Gehälter der dortigen Staatsbediensteten zu zahlen. Schiiten machten für das Scheitern der Sitzung die sunnitischen Parteien verantwortlich.

Ohnehin nahmen an den Beratungen nur 255 von 328 Parlamentariern teil. Mehrere Fraktionen boykottierten die Sitzung, weil es bislang keine Einigung über die Kandidaten für die höchsten Staatsämter gibt. Die Regierung hatte zuvor in Bagdad scharfe Sicherheitsvorkehrungen angeordnet, um die Sitzung vor möglichen Anschlägen zu schützen.

Nach tagelangen Kämpfen brachte die Terrorgruppe Isis den strategisch wichtigen syrischen Ort Abu Kamal an der Grenze zum Irak unter Kontrolle, wie die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte unter Berufung auf Bewohner des Ortes mitteilte. Abu Kamal liegt an der Verbindungsstraße zwischen der syrischen Stadt Rakka und dem irakischen Ort Rawa, die beide ebenfalls unter Isis-Kontrolle stehen.

Isis-Kämpfer hätten zudem in dem Ort Al-Bab mehr als 100 Gefangene freigelassen, nachdem Isis-Chef Al-Baghdadi eine Amnestie erlassen habe, so die syrischen Menschenrechtler weiter. Anlass der Begnadigung sei die Errichtung des „Islamischen Kalifats“, die Isis am Sonntag verkündet hatte.

Die Kurden im Nordirak wollen nach den Worten ihres Präsidenten Massud Barsani innerhalb von Monaten ein Referendum über die Unabhängigkeit abhalten. Ein eigener Staat sei ein „natürliches Recht“ der Kurden, sagte Barsani in einem BBC-Interview. Der Irak sei schon jetzt geteilt.

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