Türkei: Kommunalwahl wird zum Machtkampf

Der Urnengang am Sonntag ist auch ein Stimmungstest für den Regierungschef.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan (AKP).

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan (AKP).

Foto: MURAD SEZER

Istanbul. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan selbst hat die Kommunalwahlen am Sonntag zur Abstimmung über den künftigen Kurs des ganzen Landes erklärt. Nach einem Jahr heftiger Proteste der Bürgerbewegung gegen seine islamisch-konservative Regierung sowie Monaten des Machtkampfes zwischen Erdogan und seinen Gegnern im religiös-konservativen Lager sind die gesellschaftlichen Gräben tief aufgerissen.

Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu (CHP).

Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu (CHP).

Foto: UMIT BEKTAS

Praktisch täglich wurden im Internet neue Korruptionswürfe laut, während Erdogan immer wütender durchs Land zog und seine Behörden schließlich gar den Kurznachrichtendienst Twitter und am Donnerstag das Videoportal Youtube sperrten. Bei großen Kundgebungen sind die Botschaften an seine Anhänger unter den etwa 52 Millionen Wahlberechtigten einfach: Es gibt eine Verschwörung gegen die Türkei, er selbst sei Garant für politische Stabilität und weiteren Wohlstand.

„Vertrauen sie diesem Mann noch? So einen Dieb hat die Welt noch nicht gesehen“, hielt der Vorsitzende der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP), Kemal Kilicdaroglu, dagegen. Seine Partei präsentiert sich als führende Oppositionskraft, die die AKP in den Metropolen herausfordert, obwohl sie dort vielen jungen Demonstranten als nationalistisch und konservativ gilt.

Bei der letzten Kommunalwahl hatte Erdogans Partei erstmals Verluste eingefahren. Mit den knapp 39 Prozent erhielt sie in den Städten und Gemeinden acht Prozent weniger als bei der Parlamentswahl 2007 und fast drei Prozent weniger als bei den Kommunalwahlen 2004.

Dabei hatte die AKP damals alle Register gezogen: Für die Armen gab es kostenlos Kohle gegen die Winterkälte, im Südosten des Landes wurden Kühlschränke und Waschmaschinen verschenkt. Erdogan zeigte sich sehr unzufrieden mit den Ergebnissen der Wahl und erklärte, die AKP werde Schlüsse daraus ziehen.

Seitdem hat die AKP-Regierung in den von ihr regierten Städten viel in die Infrastruktur investiert und damit auch für Beschäftigung gesorgt. Zugleich wurden landesweit die Kontrolle über Behörden und die Medien des Landes ausgebaut. Die autoritäre Politik wirkt — wie am Beispiel verschärfter Alkoholgesetze zu sehen ist — bis ins Privatleben.

Die Wahlen sind der erste echte Test für Erdogan seit fast drei Jahren und womöglich auch nur das Vorspiel zu vorgezogenen Parlamentswahlen. Zu tief geht der Streit Erdogans mit seinen Gegnern, als dass Kommunalwahlen allein diesen entscheiden können. „Wenn sich die Politik nicht unmittelbar nach der Wahl normalisiert, verliert die Türkei“, warnte der Parlamentssprecher Cemil Cicek.

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