Strauss-Kahn: Angeblich „einvernehmlicher Sex“

Paris/New York (dpa) - In der Sex-Affäre um Dominique Strauss-Kahn zeichnet sich eine mögliche Verteidigungsstrategie des IWF-Chefs ab.

Der wegen sexueller Belästigung und versuchter Vergewaltigung in den USA angeklagte 62-Jährige könnte vor Gericht argumentieren, dass er mit dem Zimmermädchen eines New Yorker Hotels „einvernehmlichen Sex“ hatte.

Nach einem Bericht des Boulevardblatts „New York Post“ geht der Anwalt des Franzosen nicht davon aus, dass das mutmaßliche Opfer zu einem sexuellen Kontakt gezwungen wurde. Zudem zitiert das Blatt eine ungenannte Quelle aus dem Umfeld seiner Anwälte mit den Worten: „Es ist durchaus möglich, dass sie einverstanden war“. Die französische Zeitung „Le Figaro“ hatte diese These ebenfalls als eine Option der Verteidigung erwähnt. Spekuliert wird bereits über die Nachfolge Strauss-Kahns an der Spitze des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Der Franzose, der in seiner Heimat als Nachfolger von Präsident Nicolas Sarkozy gehandelt wurde, soll am Samstag in einem New Yorker Hotel über eine 32 Jahre alte Angestellte hergefallen sein und versucht haben, sie zu vergewaltigen. Eine Richterin hatte am Montag eine Freilassung Strauss-Kahns auf Kaution abgelehnt.

Von Montag auf Dienstag musste der IWF-Präsident seine erste Nacht im berüchtigten Gefängnis Rikers Island verbringen. In der riesigen New Yorker Haftanstalt auf einer Insel im East River sind rund 14 000 Menschen inhaftiert - vom verurteilten Schwerverbrecher bis zum Untersuchungsgefangenen, der auf seinen Prozess wartet.

Obwohl auch für DSK, wie er genannt wird, die Unschuldsvermutung gilt, wird weltweit über seine Nachfolge an der Spitze des mächtigen IWF spekuliert. Zu den Namen, die genannt werden, gehören Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde und der britische Ex-Premier Gordon Brown. Die „Bild“-Zeitung nennt auch den Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann sowie den Chef der in London ansässigen Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, Thomas Mirow, als mögliche deutsche Kandidaten.

In der EU wurde erste Kritik an Strauss-Kahn laut. Die spanische Finanzministerin Elena Salgado sagte in Brüssel, die Vorwürfe seien „sehr schwerwiegend“. Auf die Frage, ob Strauss-Kahn an der Spitze des IWF bleiben solle, sagte Salgado: „Ich denke, das ist eine Entscheidung, die in erster Linie in den Händen von Herrn Strauss-Kahn liegt.“ Salgados österreichische Amtskollegin Maria Fekter sagte: „Aber in Hinsicht auf die Situation, dass eine Kaution abgelehnt wurde, muss er sich selber überlegen, dass er ansonsten der Institution Schaden zufügt.“

Politiker der Koalitionsfraktionen Union und FDP sprachen sich ebenso wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für einen Europäer auf dem IWF-Chefsessel aus. Hintergrund ist die anhaltende Schuldenkrise im Euro-Raum.

Auf Rikers Island werde Strauss-Kahn zumindest bis zum nächsten Gerichtstermin am Freitag eine etwa dreieinhalb mal vier Meter große Einzelzelle bewohnen, sagte ein Sprecher der Gefängnisbehörde dem US-Sender CNN. Er werde keinen Kontakt zu anderen Gefangenen haben, da er als berühmte Persönlichkeit gesehen werde.

Unterdessen prüft die New Yorker Justiz, ob der IWF-Chef möglicherweise schon einmal eine Frau angegriffen hat. Der frühere Fall soll sich außerhalb der USA abgespielt haben. „Einige Informationen beinhalten Hinweise, dass er tatsächlich schon einmal ähnlich gehandelt hat wie in dem Fall, der ihm jetzt zur Last gelegt wird“, sagte John McConnell von der Staatsanwaltschaft der „New York Times“.

Nach und nach werden weitere Details der Affäre bekannt. So soll das 32 Jahre alte Zimmermädchen des New Yorker Hotels, in dem Strauss-Kahn abgestiegen war, aus Ghana oder Guinea stammen und alleinerziehende Mutter einer Tochter im Teenageralter sein. Unklar ist, ob Strauss-Kahn eventuell ein Alibi für die Tatzeit hat: Nach Informationen von „Le Monde“ hatte er sich am Samstag in New York mit seiner Tochter zum Mittagessen getroffen.

Mit Spannung wird erwartet, ob und wann sich Strauss-Kahns Frau Anne Sinclair äußern wird. Nach einem Bericht von „Le Monde“ hatte Strauss-Kahn sie von der Fahrt zum Flughafen angerufen und von einem „schweren Problem“ berichtet.

Frankreichs Präsident Sarkozy rief seine Partei zur Geschlossenheit und Zurückhaltung auf. „Wir müssen dieser Linie folgen, denn wir haben eine Menge Arbeit vor uns“, sagte er mit Blick auf die anstehenden Gipfel der G8 und G20. Den Namen seines in Schwierigkeiten geratenen Kontrahenten nannte er dabei nicht.

Die französische Sozialisten, denen Strauss-Kahn angehört, ringen um eine neue Strategie für die 2012 anstehende Präsidentschaftswahl. „Es ist menschlich betrachtet eine schreckliche Situation, und auf politischer Ebene sehr schwierig“, meinte Ex-Premierminister Laurent Fabius. Offen ist weiter, wen die Sozialisten bei der Wahl ins Rennen schicken.

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy wollte sich am Dienstag nicht zu den Vorwürfen gegen den IWF-Chef äußern. „Ich gebe keinen Kommentar zu laufenden Rechtsverfahren ab“, sagte er in Peking.

Strauss-Kahn werden sechs Straftaten zur Last gelegt. Allein für die schwerste Anschuldigung - sexuelle Belästigung ersten Grades - drohen ihm 25 Jahre Haft. Zudem werden ihm versuchte Vergewaltigung, sexueller Missbrauch und Nötigung vorgeworfen.

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