Staatsanwalt fordert drei Jahre Haft für Pussy Riot

Moskau (dpa) - Im umstrittenen Prozess gegen die Punkband Pussy Riot hat der Staatsanwalt in Moskau jeweils drei Jahre Haft wegen Rowdytums aus religiösem Hass für die drei Angeklagten gefordert.

Die Frauen hätten mit ihrem Punkgebet in der Erlöserkathedrale die Gefühle Gläubiger grob verletzt und müssten von der Gesellschaft isoliert werden, sagte Staatsanwalt Alexander Nikiforow am Dienstag vor dem Chamowniki-Gericht.

Dass die Aktion gegen Kremlchef Wladimir Putin gerichtet sei, nannte er einen Vorwand. Mit dem Antrag blieb er unter der möglichen Höchststrafe von sieben Jahren Lagerhaft. Das Urteil wurde an diesem Mittwoch erwartet.

In einem Offenen Brief an den russischen Botschafter in Berlin, Wladimir Grinin, zeigten sich 121 Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen „besorgt“ über das Vorgehen der Justiz. Die hohe Strafforderung sei „drakonisch und unverhältnismäßig“.

Die Verteidigung hält den Prozess für politisch gesteuert und fordert Freispruch für die gewaltlosen Musikerinnen. Es gebe keine Rechtsgrundlage für ein Urteil, sagte Verteidiger Mark Feigin. Die Angeklagten Maria Aljochina (24), Nadeschda Tolokonnikowa (22) - beide haben kleine Kinder - und Jekaterina Samuzewitsch (29) hatten ihren Protest gegen Putin in der Kirche als freie Meinungsäußerung verteidigt. Das dafür geforderte Strafmaß sei absurd und eine „Schande für Russland“, kritisierten mehrere Menschenrechtler.

„Sie sind völlig verrückt geworden“, sagte die Leiterin der Moskauer Helsinki-Gruppe, Ljudmila Alexejewa. Der Europaparlamentarier Werner Schulz von den Grünen kritisierte eine „Hexenverfolgung“ wie im Mittelalter. Die Künstlerinnen sitzen seit März in Untersuchungshaft, die Richterin Marina Syrowa bis Januar 2013 angesetzt hat.

Zuletzt hatte auch Putin angemahnt, die Frauen nicht „so hart zu verurteilen“. Allerdings kritisierte er erneut den Auftritt als „nicht gut“. Die Schuld von Aljochina, Tolokonnikowa und Samuzewitsch sei erwiesen, sagte nun Staatsanwalt Nikiforow bei der live im Internet übertragenen Sitzung. Die Musikerinnen nahmen das Plädoyer ruhig mit verständnislosem Kopfschütteln und Lächeln auf.

Die schrille Aktion vom 21. Februar unter dem Titel „Mutter Gottes, du Jungfrau, vertreibe Putin!“ sorgte vor allem im Internet für Aufsehen. Die Frauen hätten mit greller Kleidung, Strumpfmasken, wildem Tanz und „vulgärem und zynischem“ Verhalten in der Kirche die russisch-orthodoxen Christen beleidigt, sagte der Ankläger.

„Die öffentliche Benutzung von Schimpfwörtern nahe der Ikonen an einem solchen heiligen Ort ist eine Verletzung der allgemeingültigen Regeln“, sagte Nikiforow. Die Nebenklage-Anwältin Larissa Pawlowa, die die Interessen der ungewollten Zeugen des Punkgebets vertritt, warf den Frauen vor, sie hätten den Gläubigen „maximalen Schaden“ zufügen wollen.

Die Musikerinnen hatten sich im Prozess bei den Gläubigen entschuldigt und den Auftritt als „ethischen Fehler“ bezeichnet, sie halten aber am Inhalt des umstrittenen Gebets fest. Darin hatten sie nicht nur dafür gebetet, dass Russland von Putin erlöst werden möge. Sie kritisierten auch eine enge politische Verbindung des Patriarchen Kirill mit Putin.

Die Frauen hatten ihre Unschuld beteuert. Auch eine Vereinigung von 35 Juristen hatte den Prozess in einem offenen Brief als „Schritt zur Zerstörung des russischen Rechtsstaates“ kritisiert. Die Opposition spricht von einem beispiellosen Justizskandal. Der Prozess stehe für politisch-religiöse Willkür wie im Mittelalter, hieß es in Kommentaren.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat die Putin-Gegnerinnen als gewaltfreie politische Gefangene anerkannt. International haben sich Dutzende Künstler solidarisch mit den Frauen gezeigt. Auch Madonna, die am Dienstag in Moskau ein Konzert geben sollte, sowie die Musiker Sting, Peter Gabriel und viele andere forderten „Freiheit für Pussy Riot“.

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