Linke droht mit heißem Herbst Spanien: Ende der Zitterpartie - König beauftragt Rayo mit Regierungsbildung

Madrid. Nach mehr als zehn Monaten politischem Stillstand könnte es nun endlich klappen. Spaniens König Felipe beauftragte den bisherigen provisorischen Regierungschef, den Konservativen Mariano Rajoy, mit der Bildung eines Minderheitskabinetts.

Der spanische König Felipe und Ministerpräsident Mariano Rajoy schütteln sich am Dienstag die Hände.

Der spanische König Felipe und Ministerpräsident Mariano Rajoy schütteln sich am Dienstag die Hände.

Foto: Chema Moya / Pool

Dieses hat gute Chancen, vom Parlament bestätigt zu werden. Damit scheint eine Zitterpartie vorerst zu Ende zu gehen, welche das südeuropäische Euro-Krisenland und ganz Europa monatelang in Atem gehalten hatte. Nun muss sich Rajoy, der im Dezember 2015 seinen absolute Mehrheit verlor und seitdem nur noch geschäftsführend im Amt ist, einer Vertrauensabstimmung im Parlament stellen. Diese Abstimmung soll Ende dieser Woche stattfinden.

Die Sozialisten, größte Oppositionspartei, versprach nach langem internem Streit, dass sie Rajoy durch Stimmenthaltung ins Amt helfen wollen. Damit wäre eine Wiederholung der Parlamentswahl, es wäre die dritte innerhalb eines Jahres gewesen, erst einmal abgewendet. Rajoy sagte am Dienstagnachmittag dem königlichen Staatschef, dass er bereit sei, sich dem Parlament zu stellen. „Ich habe den Auftrag des Königs angenommen“, verkündete er nach dem Treffen mit Felipe. „Ich bin mir aber der Schwierigkeiten bewusst, mit einer Minderheitsregierung anzutreten“, erklärte Rajoy. Er hatte bereits zuvor durchblicken lassen, dass er unter Umständen in 2017 doch noch eine Neuwahl erzwingen werde, wenn das Parlament nicht mit seinem Minderheitskabinett zusammenarbeite.

Erste Feuerprobe nach der für kommende Woche erwarteten Vereidigung Rajoys dürfte die Verabschiedung des schwierigen Haushaltsplanes 2017 sein, den die Sozialisten nicht mittragen wollen. Da Spanien auch in 2016 wieder über das vereinbarte Etatdefizit von 3,1 Prozent des BIP hinausschießen dürfte, forderte die Europäische Kommission milliardenschwere Einsparungen für den neuen Haushalt. Brüssel, das Spanien bereits im Sommer abgemahnt hatte, droht Madrid mit einem neuen Blauen Brief. Spaniens linke Protestbewegung kündigte ihrerseits bei weiteren Sparbeschlüssen massive Demonstrationen an. Das Königreich steht vor einem heißen Herbst.

Der 61-jährige Rajoy ist seit Dezember 2011 Ministerpräsident Spaniens. Nach unpopulären Sparmaßnahmen und einer Serie von Korruptionsskandalen in seiner Partei verlor er jedoch an Rückhalt in der Bevölkerung. Weder nach der Parlamentswahl Ende 2015 noch nach der Neuwahl im Juni 2016 schaffte er es, eine neue Regierung auf die Beine zu stellen. Nun bekommt der politische Überlebenskünstler Rajoy, der sich seit 35 Jahren der Politik widmet und vor seiner Zeit als Regierungschef schon mehrere Ministerämter innehatte, eine neue Chance, um politischen Boden wettzumachen. Und vor allem, um die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Eurozone, die sich langsam wieder erholt, aber immer noch unter einem hohen Schuldenberg und Massenarbeitslosigkeit leidet, weiter aus dem Krisental zu führen.

Nachdem sich am Dienstag ein Ende der politischen Blockade abzeichnete, zeigte sich auch König Felipe sichtbar erleichtert. Spaniens Staatsoberhaupt hatte Anfang der Woche zum fünften Male die Parteichefs in seinen Palast am Stadtrand Madrids geladen, um endlich eine Einigung über eine neue Regierung zu erzielen. Felipe, der 2014 das Amt von seinem Vater Juan Carlos erbte, erwirbt sich gerade mit seinem besonnenen Auftreten als königlicher Krisenmanager viel Ansehen.

Laut Verfassung muss der König einen Ministerpräsidenten vorschlagen, der dann vom Parlament gewählt wird. Sowohl der konservative Parteivorsitzende Rajoy wie auch der - inzwischen zurückgetretene - Sozialistenchef Pedro Sánchez hatten in den letzten Monaten vergeblich versucht, eine ausreichende Mehrheit im zersplitterten Parlament hinter sich zu scharen. Dort sind der linke und der rechte Machtblock etwa gleich groß. Mit der Folge, dass seit mehr als 300 Tagen im Parlament weder Gesetze noch dringend notwendige Wirtschaftsreformen beschlossen wurden.

Den Durchbruch in den Verhandlungen um eine tragfähige Regierung brachte nun ein Kurswechsel der oppositionellen Sozialistischen Arbeiterpartei: Nach dem Abtritt des Generalsekretärs Sánchez beschloss der provisorische Parteivorstand eine politische Kehrtwende. Die geschäftsführende Parteispitze verkündete, sich bei der Vertrauensabstimmung über Rajoy im Parlament nun doch der Stimme zu enthalten und damit eine neue Amtszeit des Konservativen zu ermöglichen.

Das ist ein in der Sozialistischen Partei höchst umstrittener Schachzug, der wohl auch dazu dient, die eigene Haut zu retten: Alle Umfragen hatten vorausgesagt, dass die Sozialisten bei einer Neuwahl erheblichen Rückhalt verlieren und sogar hinter die neue linksalternative Partei Podemos (Wir können“) zurückfallen könnten. Rajoy wurden derweil Zugewinne prognostiziert.

Die kommende Vertrauensabstimmung im Parlament findet übrigens in zwei Runden statt. Im ersten Durchgang braucht Rajoy die absolute Mehrheit, die er nicht hat. Seine Volkspartei kommt nur auf 137 Mandate. Zudem sagte die bürgerlich-liberale Partei Ciudadanos (Bürger) zu, mit ihren 32 Abgeordneten für Rajoy zu stimmen. Das macht zusammen 169 Abgeordnete. Die absolute Mehrheit liegt aber bei 176 Stimmen. In der zweiten Abstimmungsrunde, die zwei Tage später stattfinden soll, braucht Rajoy nur noch die einfache Mehrheit - die er Dank der angekündigten Enthaltung der Sozialisten nun endlich zum Greifen nahe hat.

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