Snowden will in Deutschland zur NSA-Affäre aussagen

Berlin (dpa) - Der frühere US-Geheimdienstler Edward Snowden ist grundsätzlich bereit, in Deutschland zur NSA-Spähaffäre auszusagen - aber nur mit klaren Sicherheitsgarantien. Vorher müsse eindeutig gesichert sein, dass der 30-jährige US-Amerikaner in Deutschland bleiben oder in einem vergleichbaren Land unterkommen könne.

Das berichtete der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele in Berlin. Am Vortag hatte er Snowden überraschend in Moskau getroffen.

Die Bundesregierung zeigte zwar Interesse an dem Angebot des in Russland untergetauchten Snowden. Mit Blick auf komplizierte rechtliche Fragen zu einem Asyl des Amerikaners in Deutschland denkt sie jedoch eher an eine Vernehmung in Moskau. Unterdessen gerät der US-Geheimdienst NSA auch durch US-Internetkonzerne wie Google und Yahoo unter Druck, die sich gegen Spionageattacken wehren.

Nach dem Treffen mit Ströbele zeigte sich Snowden bereit, in Deutschland zu der Affäre, von der auch Kanzlerin Angela Merkel direkt betroffen sein soll, Stellung zu nehmen. In einem Schreiben, das Ströbele unter anderem Bundesregierung, Bundestag und Bundesanwaltschaft zustellen sollte, hieß es: „Ich freue mich auf ein Gespräch mit Ihnen in Ihrem Land, sobald die Situation geklärt ist, und danke Ihnen für Ihre Bemühungen, das internationale Recht zu wahren, das uns alle beschützt.“

Ströbele hatte am Donnerstag an einem unbekannten Ort in Moskau etwa drei Stunden lang mit Snowden gesprochen. Nach Ströbeles Erläuterungen will der Ex-Geheimdienstmitarbeiter deutschen Vertretern möglichst nicht auf russischem Boden Rede und Antwort stehen. Dafür wäre auch die Kooperation der russischen Behörden notwendig.

Snowdens Asyl in Russland läuft im Sommer 2014 aus. Sein russischer Anwalt Anatoli Kutscherena betonte, Snowden könne nicht aus seinem Asylland ausreisen, ohne seinen Flüchtlingsstatus zu verlieren. „Falls irgendein Land Fragen an Snowden hat, kann es ihm diese schicken, und er wird dann darüber entscheiden“, sagte Kutscherena russischen Agenturen zufolge.

Der amtierende Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte: „Wir werden Möglichkeiten finden, wenn Herr Snowden bereit ist, mit deutschen Stellen zu sprechen.“ Wenn dieser Informationen liefern wolle, „dann nehmen wir das gerne auf“. Friedrich betonte: „Wir sind dankbar, wenn irgendwas kommt - egal, ob durch Herrn Ströbele, Briefe oder sonst was.“

Regierungssprecher Steffen Seibert betonte, eine Vernehmung Snowdens sei entweder Sache der Bundesanwaltschaft oder eines Untersuchungsausschusses des Parlaments, nicht aber der Regierung. Im übrigen gebe es keine Veranlassung, sich mit der Frage eines Asyls für Snowden in Deutschland zu befassen. Sollte er in Deutschland aussagen wollen und deshalb um Schutz bitten, wären komplexe rechtliche Fragen zu klären.

Ein Sprecher des Innenministeriums erläuterte, für einen Asylantrag müsse Snowden nach Deutschland kommen. Einer Vernehmung in Russland stünde aber nichts entgegen. Das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages will sich in der nächsten Woche in einer Sondersitzung mit dem Fall befassen.

Snowden hat als Mitarbeiter der National Security Agency (NSA) tausende Dokumente kopiert, die seit dem Sommer von Journalisten nach und nach veröffentlicht werden. Die US-Regierung wirft dem 30-Jährigen Landesverrat vor.

Ströbele appellierte nun an die USA und andere Staaten, Snowden nicht weiter mit Strafe zu bedrohen. Im Strafrecht gebe es die Möglichkeit, wegen eines „übergesetzlichen Notstands“ von Verfolgung abzusehen. Eine Möglichkeit wäre, Snowden von deutscher Seite freies Geleit zu gewähren.

Die USA beharren auf einer Überstellung Snowdens. Ihm werde weiterhin vorgeworfen, unerlaubt geheime Informationen weitergegeben zu haben. Auch die jüngsten Äußerungen von Snowden würden daran nichts ändern, sagte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Jennifer Psaki, in Washington.

Nach den mutmaßlichen US-Lauschangriffen auch auf deutsche Ziele reichten Brasilien und Deutschland bei den Vereinten Nationen eine Resolution gegen Spionage ein. Darin werden alle Staaten aufgefordert, Gesetzgebung und Praxis bei Überwachungsaktionen im Ausland auf den Prüfstand zu stellen. Beide Länder beantragten am Freitag beim Menschenrechtsausschuss, die Vollversammlung möge eine entsprechende Entschließung annehmen.

Wegen der Spionageattacken der NSA wandten sich Google, Facebook, Apple und andere in einem Brief an Kongressabgeordnete und forderten nicht mehr nur mehr Transparenz über die Überwachungsprogramme der NSA, sondern auch echte Reformen. Insbesondere seien „substanzielle Verbesserungen zum Schutz der Privatsphäre und angemessene Mechanismen zur Aufsicht und Nachvollziehbarkeit dieser Programme“ nötig. Daran sollten Kongress und US-Regierung arbeiten.

Zuvor hatte die „Washington Post“ berichtet, die NSA greife Daten aus den internen Verbindungen zwischen Datenzentren von Google und Yahoo ab. Beide Firmen betreiben weltweit riesige Rechenzentren. Die Anlagen tauschen ständig Nutzerdaten untereinander aus, etwa E-Mails, Suchanfragen oder Dokumente. Die Daten schicken die Internet-Riesen über eigene Glasfaserkabel.

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