Schotten gehen eigene Wege

Alarm in London: Der Norden will in zwei Jahren über seine Unabhängigkeit abstimmen.

London. Wie ein Land sich einsam auf einen Sonderweg begeben kann, hat David Cameron im Dezember in Brüssel eindrucksvoll gezeigt. In seiner Heimat tut der Premier sich allerdings schwer, anderen ähnliche Freiheiten zu gewähren.

Mit aller Macht stemmt er sich zurzeit gegen die Pläne Schottlands, aus dem Königreich auszutreten. Die Krise droht zu eskalieren, denn auch die Schotten bleiben stur.

Unfreiwillige Komik bleibt keinem Briten lange verborgen, egal ob er Waliser, Schotte, Ire oder Engländer ist. Unabhängigkeit für Schottland, so hatte Cameron es dem Norden gerade erst beschieden, die gebe es nicht etwa, wenn die Provinz es sich wünsche, sondern nur zu dem Zeitpunkt und den Bedingungen, die die Zentralregierung in London erlaube.

Der Bumerang kam umgehend, und zwar in Form einer kleinen Unabhängigkeitserklärung: „2014 stimmen die Schotten über ihre Zukunft ab“, erklärte der schottische Ministerpräsident Alexander Salmond kurzerhand, „Cameron hat kein Mandat über uns.“

Doch der historische Streit, der sich in dieser Woche dramatisch zuspitzt, könnte schon bald vor dem Obersten Gerichtshof Großbritanniens enden. Er sei „traurig“ über die Debatte, sagte Cameron gestern in Westminster, und niemand wolle Schottland den Weg zur Autonomie verstellen.

Doch rechtlich wollen Regierung und Opposition alle Register ziehen, um das Referendum in Schottland selbst zu formulieren, durchzuführen und den Separatisten so eventuell den Wind aus den Segeln zu nehmen.

90 Prozent der Öl- und Gasreserven des Königreiches liegen in schottischen Gewässern. Die Provinz mit nur fünf Millionen Einwohnern könnte nach der Unabhängigkeit zu einer der reichsten Nationen Europas avancieren. Autonomiebestrebungen hat es immer schon gegeben — immerhin hatte Schottland bis 1707 seine eigene Monarchie.

Doch nicht nur Geschichtsromantik treibt die Kelten an. Sie liegen auch in fast allen politischen Fragen mit der Zentralregierung in England über Kreuz: Die Schotten sind mehrheitlich sozialdemokratisch, nicht marktliberal eingestellt.

Studium und Seniorenpflege sind anders als in England gebührenfrei. Zankapfel ist auch immer wieder die Stationierung britischer Atom-U-Boote vor der schottischen Küste, wo man eher auf grüne Energien als auf Nukleartechnik setzen will.

Nach der Abspaltung will Schottland der EU beitreten — ein rotes Tuch für Cameron. Der hat indes angekündigt, dass Großbritannien die Unabhängigkeit Schottlands nicht anerkennen werde, wenn die Provinz ein Referendum halte, das zuvor nicht von Westminster legitimiert worden sei. Rechtlich bindend ist in der Tat nur eine Volksabstimmung, die die britische Regierung durchführt.

Doch Salmond kann per Abstimmung auch einfach ein Stimmungsbild erfassen. Sollte die Mehrheit der Schotten sich darin für die Autonomie aussprechen, kann Westminster zwar rechtliche, aber kaum noch politische Einwände gegen die Loslösung geltend machen.

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