Ukraine-Krieg Scholz will Nato-Ostflanke stärken - Ukraine will EU-Beitritt

Berlin/Vilnius · Kanzler Scholz verspricht Litauen Verstärkung für die Verteidigung der Nato-Ostflanke. Selenskyj drängt auf eine EU-Beitrittskandidatur und schickt einen Sondergesandten nach Berlin. Spanien will deutsche Panzer liefern - doch die Genehmigung steht noch aus.

 Kanzler Scholz verspricht Litauen Verstärkung für die Verteidigung der Nato-Ostflanke.

Kanzler Scholz verspricht Litauen Verstärkung für die Verteidigung der Nato-Ostflanke.

Foto: dpa/Michael Kappeler

So nah war der deutsche Kanzler Russland seit Beginn des Ukraine-Kriegs noch nie: Olaf Scholz (SPD) traf sich am Dienstag in der litauischen Hauptstadt Vilnius mit Präsident Gitanas Nauseda und den Regierungschefs aller drei baltischen Staaten. Nach den Gesprächen sagte er Litauen zusätzliche militärische Unterstützung für die Verteidigung gegen einen möglichen russischen Angriff zu.

„Wir haben uns fest vorgenommen, dass wir unseren Beitrag verstärken werden“, sagte der SPD-Politiker. Das deutsche Engagement solle „in Richtung einer robusten Kampfbrigade“ entwickelt werden. „Als Verbündete in der Nato fühlen wir uns einander verpflichtet und wir werden im Falle eines Angriffs jeden Zentimeter des Nato-Territoriums verteidigen“, versprach Scholz.

Estland und Lettland haben Deutschlands Zusage begrüßt: „Wir schätzen sehr die Bemühungen Deutschlands als Rahmennation der Nato, die Verteidigung Litauens und des Baltikums zu stärken. Das heißt: Wir fühlen uns sicherer, wir sind nicht allein“, sagte die estnische Regierungschefin Kaja Kallas.

Die EU-Kommission will noch im Juni entscheiden, wie es mit den EU-Ambitionen der Ukraine weitergeht. Scholz hatte aber klar gemacht, dass es keine Abkürzungen für die Ukraine auf dem Weg in die EU geben dürfe. Die Ukraine, die vor allem auch mit massiver Korruption zu tun hat, sieht ihren Kampf gegen Russland als ausreichende Qualifikation.

Am Montag hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj angesichts von mehr als 100 Tagen Kampf gegen die russische Invasion mit Nachdruck den Status als EU-Beitrittskandidat verlangt.

Selenskyj beließ es nicht nur bei Forderungen: Er schickte einen Sondergesandten nach Berlin, um Gespräche mit der Bundesregierung über eine EU-Beitrittsperspektive zu führen. Der Minister für regionale Entwicklung, Oleksij Tschernyschow, will bis Mittwoch unter anderen Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) und mehrere Minister treffen. „Die Europäische Union sollte die Ukraine umarmen“, sagte Tschernyschow der dpa vorab. Er betonte aber auch, dass sein Land nicht bevorzugt behandelt werden wolle.

Debatte über Panzerlieferungen aus Spanien

Spanien hat nach Angaben von Bundeskanzler Olaf Scholz noch keine Anfrage für den Export von Leopard-2-Panzern aus deutscher Produktion in die Ukraine gestellt. Sollte es noch einen solchen Antrag geben, werde er geprüft, sagte der SPD-Politiker in Litauen.

Das Land will nach einem Bericht der Zeitung „El País“ der Ukraine deutsche Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 A4 liefern. In der Regel muss die Bundesregierung solche Rüstungsexporte genehmigen, weil die Kaufverträge sogenannte Endverbleibsklauseln enthalten, die das für den Fall einer Weitergabe vorsehen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat Sympathien dafür erkennen lassen, Spanien den Export von Leopard-Panzern aus deutscher Produktion an die Ukraine zu genehmigen. Der Grünen-Politiker sagte am Dienstag bei einem Besuch im palästinensischen Ramallah, bei seiner Abreise am Montag habe noch kein Beschluss der spanischen Regierung vorgelegen.

Selenskyj: Kriegsende wird auf dem „Schlachtfeld“ besiegelt

Der ukrainische Präsident hält ein Ende des Krieges weiter nur auf dem „Schlachtfeld“ für möglich. „Vor allem muss der Sieg auf dem Schlachtfeld sein“, sagte der 44-Jährige in einem am Dienstag veröffentlichten Gespräch mit der „Financial Times“. Um anzugreifen, mangele es der Ukraine aber weiter an Technik. Ohne zusätzliche Ausrüstung sei es für Kiew schwer, die Verluste wären groß.

Unerlaubte Entsendung von russischen Wehrdienstleistenden

Wegen der unerlaubten Entsendung von Wehrdienstleistenden in den Krieg gegen die Ukraine haben die russischen Behörden zwölf Offiziere bestraft. „Etwa 600 Wehrdienstleistende sind zur militärischen Spezialoperation herangezogen worden, alle wurden innerhalb kürzester Zeit wieder zurückgeschickt“, sagte der Militärstaatsanwalt des russischen Wehrkreises West, Artur Jegijew, am Dienstag der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Die Offiziere seien deswegen zur Verantwortung gezogen worden, fügte er hinzu. Brisant daran ist, dass Kremlchef Wladimir Putin versprochen hatte, keine Wehrpflichtigen, sondern nur Zeit- und Berufssoldaten in der Ukraine einzusetzen.

Freigabe von Getreidelieferungen mit türkischer Hilfe?

In den Verhandlungen um die Freigabe von Getreidelieferungen aus der Ukraine hat es laut türkischen Angaben „deutliche Fortschritte“ gegeben. Man führe Gespräche mit Vertretern Russlands, der Ukraine und der Vereinten Nationen, sagte der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu vom Dienstag zufolge. Dabei gehe es etwa um die Fragen, wer die Räumung der Seeminen im Schwarzen Meer übernehme, wie ein Korridor ausgestaltet werden könne und wer die Schiffe begleite. Türkische Staatsmedien berichteten zudem, Ankara habe die Einrichtung eines Koordinationszentrums in Istanbul vorgeschlagen. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat zu massiven Turbulenzen auf den Weltmärkten geführt und die Preise für Lebensmittel in die Höhe getrieben.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow will an diesem Mittwoch seinen türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu zu Gesprächen in Ankara treffen. Dabei soll es Angaben beider Seiten zufolge auch um die Freigabe ukrainischer Getreidelieferungen gehen.

Claudia Roth in Odessa

Aus Sicht von Kulturstaatsministerin Claudia Roth ist auch die kulturelle Identität der Ukraine durch den russischen Angriffskrieg bedroht. „Dieser Krieg ist auch ein Krieg gegen die Kultur, gegen die Kultur der Demokratie“, sagte die Grünen-Politikerin am Dienstag bei einem Besuch in der Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer. Nach mehr als drei Monaten Krieg seien 375 Kultureinrichtungen zerstört oder beschädigt, sagte Roth. Auch 137 Kirchen seien betroffen. Kulturstaatsministerin Claudia Roth ist am Mittwoch in der Republik Moldau zu Gast.

(dpa)
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