Sarkozy tritt von der Polit-Bühne ab

Der scheidende Präsident zeigt sich staatsmännisch und wünscht seinem Nachfolger Hollande viel Glück.

Paris. Der Machtwechsel ist seit Tagen zum Greifen nahe. Doch erst am Sonntagabend um kurz nach acht hat Frankreichs Linke Gewissheit: François Hollande (57) wird neuer Präsident, er ist nach François Mitterrand erst der zweite Sozialist an der Spitze der V. Republik. Nicolas Sarkozy, sein Rivale in der Stichwahl, ist mit fast vier Punkten Rückstand abgewählt, beinahe abgestraft.

Auf der „Place de la Bastille“ liegen sich Zigtausende „camarades“, wie sich die Sozialisten nennen, in den Armen. Champagnerkorken knallen, Tränen kullern. „Ein historischer Augenblick“, sagen sie. Ein kollektiver Freudentaumel ergreift die Masse auf diesem traditionsreichen Platz, auf dem 1789 die Bastille gestürmt und die französische Revolution entfacht wurde.

Keine 20 Minuten später erkennt der Abgewählte seine Niederlage ein. Er hat den Elyséepalast verlassen und spricht vor enttäuschten Parteimitgliedern. „Ich wünsche François Hollande viel Glück“, sagt Sarkozy mit belegter Stimme. Der, der sonst so leidenschaftlich poltert, zeigt staatsmännische Größe. Er bittet um Fairness und sagt: „François Hollande ist der Präsident, das ist eine demokratische Entscheidung, die respektiert werden muss.“ Auch hier kullern Tränen — es sind Tränen der Trauer.

Nur sechs Minuten dauert Sarkozys Abschiedsrede. Er bedankt sich für die Unterstützung: „Es war eine Ehre, fünf Jahre lang Präsident gewesen zu sein.“ Ehe sie im Saal der „Mutualité“ die „Marseillaise“ anstimmen, verkündet der 57-Jährige seinen Abschied von der politischen Bühne. Nach 35 Jahren in der Politik, davon über zehn Jahre als Minister und Staatschef, werde sein Platz nicht mehr derselbe sein. „Ich stelle mich darauf ein, ein Franzose unter den Franzosen zu sein“, sagt der Noch-Präsident.

Sein Nachfolger lässt sich an diesem Abend sehr viel Zeit. Der „Abgeordnete von Corrèze“, der seine Kampagne mit dem Slogan „Président normal“, der „normale Präsident“ geführt hat, kultiviert demonstrativ Volksnähe. Hollande zieht es vor, dem Machtzentrum erst einmal fern zu bleiben und den Tag Hunderte Kilometer entfernt in seiner Hochburg Tulle zu verbringen.

In dieser zentralfranzösischen Bischofsstadt hat er seinen Marsch zum Elysée begonnen. Tausende haben sich jetzt auch hier auf dem Platz vor der Kathedrale versammelt. Erst um 21.20 Uhr bahnt er sich den Weg durch die jubelnde Menge. „François président“, skandieren die Menschen. Und der neue Staatschef sagt: „Ich werde diesem Land dienen.“

Unterdessen spielen sich an der Bastille Szenen ab, die an den großartigen Mitterrand-Sieg von 1981 erinnern. Obwohl der Platz mit der Juli-Säule und dem „Genius der Freiheit“ schon aus allen Nähten platzt, strömen immer noch Tausende herbei. Auf der riesigen Bühne beginnt ein Kulturprogramm. Höhepunkt des Abends ist Yannick Noah, einst Tennisstar und einer der beliebtesten und erfolgreichsten Gesangskünstler Frankreichs. Die Sozialisten genießen das „Morgenrot“, sie spüren, dass eine neue Ära anbrechen könnte.

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