Ruf nach Begrenzung von Managergehältern

Berlin (dpa) - Politiker aus Koalition und Opposition haben nach dem Schweizer Volksentscheid eine Deckelung von Managergehältern gefordert - die Bundesregierung aber sieht vor der Wahl keinen Handlungsbedarf.

Die EU-Kommission kündigte einen eigenen Vorschlag bis Jahresende an, um die Rechte von Aktionären bei der Kontrolle von Topmanagern zu stärken. Die deutsche Wirtschaft lehnte schärfere Gesetze ab. Die Aufsichtsräte arbeiteten gut, strittige Millionenzahlungen seien abseits der großen Konzerne selten. Die SPD kritisierte dagegen einen „Selbstbedienungswettbewerb“ in Firmen.

Koalitionspolitiker wollen bis zum Sommer prüfen, ob Deutschland ähnliche Regelungen wie jetzt in der Schweiz einführen könnte. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte am Montag in Berlin: „Wir können auch in der Koalition noch vor der Bundestagswahl hier Zeichen setzen.“ Die zuständige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) will schauen, ob und wie die Position der Anteilseigner in der Hauptversammlung aufgewertet werden könne: „Das finde ich einen interessanten und guten Ansatz.“

Die Schweizer hatten am Sonntag einem Volksbegehren gegen überzogene Managervergütungen mit rund 68 Prozent zugestimmt. Die Initiative zielt darauf ab, Exzesse bei Bonus-Zahlungen, Abfindungen und Gehältern für Manager börsennotierter Unternehmen durch die Stärkung der Aktionärsrechte zu unterbinden. Über die Höhe von Managervergütungen sollen die Aktionäre jährlich entscheiden können.

Auf europäischer Ebene will EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier bis Jahresende einen Vorschlag nach Schweizer Modell erarbeiten. Auch in der EU müssten die Aktionäre die Verantwortung für die Vergütung haben. Es gehe auch um mehr Transparenz „bei individuellen Vergütungen, vor allem bei Top-Gehältern“.

Erst in der vergangenen Woche hatten sich das Europaparlament, die EU-Kommission und die EU-Staaten auf einen Kompromiss zur Begrenzung von Bonuszahlungen an Banker geeinigt. An diesem Dienstag werden die EU-Finanzminister in Brüssel darüber beraten.

Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) warnte vor Schnellschüssen des Gesetzgebers. „In Deutschland besteht kein Bedarf für eine gesetzliche Neuregulierung bei der Vorstandsvergütung“, sagte BDI-Rechtsexperte Heiko Willems. Die Durchschnittsgehälter für Vorstände in deutschen Unternehmen seien erheblich niedriger als in der Schweiz.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) betonte in der „Rheinischen Post“, Deutschland dürfe seine Stärke als Industrie- und Wirtschaftsstandort nicht aufs Spiel setzen.

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) rechnet mit heftigen Debatten auf den anstehenden Hauptversammlungen der Dax-Unternehmen über Vergütungssysteme und Gehälter der Spitzenmanager. Härtere Gesetze brauche es nicht. „Wir haben weitgehend schon längst das, was jetzt in der Schweiz erst noch in ein Gesetz gegossen werden muss“, sagte Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler in einem dpa-Gespräch.

Opposition und Gewerkschaften begrüßten die Schweizer Volksabstimmung. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sagte in Siegen am Rande einer Veranstaltung: „Ich finde das positiv, das strahlt ja auch ab auf Deutschland. Wir führen die Debatte ja auch.“ Steinbrück warf allerdings die Frage auf, ob sich eine solche Begrenzung gesetzlich regeln lasse. „Ich glaube, dass die Aktionäre das im wesentlichen übernehmen müssen und auf den Hauptversammlungen Einfluss nehmen müssen.“

Der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, Norbert Walter-Borjans (SPD), attackierte die deutsche Wirtschaft. „In den Topetagen der Wirtschaft hat sich vielerorts ein Selbstbedienungswettbewerb mit gleichzeitigem Ausschluss jedes Haftungsrisikos breitgemacht“, sagte er „Handelsblatt online“. Die SPD will die Vergütung von Vorständen und die steuerliche Absetzbarkeit von Gehältern gesetzlich begrenzen.

Der DGB erklärte, bei der Managerbezahlung sei das Ende der Fahnenstange längst erreicht: „Mäßigung statt Gier muss der Maßstab sein.“ Linken-Parteichefin Katja Kipping sagte den Zeitungen der „WAZ“-Gruppe: „Dass ein Dax-Vorstand 54 mal so viel verdient wie ein Angestellter, ist sachlich durch nichts als Gier zu begründen.“

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