Meinung Recep Tayyip Erdogan ist von Angst getrieben

Meinung · Es gehört zum Wesen von Autokraten, uneinsichtig zu sein. Selbstherrlichkeit verträgt sich nicht mit Selbstkritik. Von daher ist es kein Wunder, wie sich der türkische Präsident Erdogan verhält.

 Der Gewinn der Opposition bei der Bürgermeisterwahl von Istanbul bedeutet für Erdogan und seiner Partei einen erheblichen Rückschlag.

Der Gewinn der Opposition bei der Bürgermeisterwahl von Istanbul bedeutet für Erdogan und seiner Partei einen erheblichen Rückschlag.

Foto: dpa/Mustafa Kaya

Es gehört zum Wesen von Autokraten, uneinsichtig zu sein. Selbstherrlichkeit verträgt sich nicht mit Selbstkritik. Von daher ist es kein Wunder, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wieder einmal alles zurückweist, was ihn und seinen paranoiden Kontrollwahn infrage stellen könnte: Kritik an der Annullierung der Bürgermeisterwahl in Istanbul ebenso wie die Foltervorwürfe des Journalisten Deniz Yücel.

Dabei sind die markigen Worte des Präsidenten in Wahrheit Ausdruck seiner Angst: der Angst vor dem Machtverlust, der sowohl durch die Niederlage seiner Partei in seiner einstigen Hochburg Istanbul als auch durch eine freie und kritische Berichterstattung bestärkt werden könnte, die ihn mit seinen Verfehlungen konfrontiert. Um das zu verhindern, ist Erdogan mittlerweile jedes Mittel recht: Das Ergebnis der Wahl in Istanbul versucht er durch die Annullierung mit fadenscheinigen Gründen noch in seinem Sinne umzubiegen. Und unliebsamen Journalisten tritt er mit Verboten und Inhaftierung entgegen – und mit Folter.

 Ein Kommentar von Ekkehard Rüger.

Ein Kommentar von Ekkehard Rüger.

Foto: ja/Sergej Lepke

Deniz Yücel hat seine detaillierten und ernst zu nehmenden Vorwürfe ausgerechnet in dem Prozess erhoben, der ihm wegen angeblicher Terrorpropaganda und Volksverhetzung gemacht wird. Der Journalist lässt sich nicht mundtot machen. Das Gleiche wird für die Wähler gelten. Ergebnisse kann man manipulieren, aber die Haltungen bleiben. Die türkische Opposition solidarisiert sich bereits in ungewöhnlichem Maße und bei dem zweiten Urnengang im Juni kann Erdogan eigentlich nur verlieren: Setzt sich der ausgleichende Ekrem Imamoglu wieder durch, ist Erdogans Gesichtsverlust offensichtlich. Schafft es sein Gefolgsmann Binali Yildirim, wird die Empörung der liberalen Großstadtbevölkerung grenzenlos sein.

Mag sein, dass Erdogan die Repressionen weiter verschärft, um sich zu halten. Aber die Zeit läuft gegen ihn.

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