„Postsowjetischer Schlendrian“

Kremlchef Medwedew geißelt Sicherheitslücken am Flughafen.

Moskau. Die Terroristen haben mit ihrem Blutbad auf dem Moskauer Flughafen Domodedowo Russlands größte Schwächen offengelegt. Kremlchef Dmitri Medwedew kritisierte am Tag danach, dass auf dem Airport der Inlandsgeheimdienst FSB und andere Sicherheitsbehörden sträflich versagt hätten.

Er brandmarkte den postsowjetischen Schlendrian als „Anarchie“. Dabei redet der Präsident — wie wohl am Mittwoch auch auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos — lieber von einem modernen Russland.

Russische Kommentatoren höhnten vor Medwedews Schweiz-Reise, dass der neue Anschlag keine Empfehlung sei für die von Russland dringend benötigten Investoren. Die liberale Wirtschaftszeitung „Wedomosti“ fragte, warum es in Berlin, London und New York gelinge, Terroranschläge zu verhindern — nur in Moskau nicht. Dabei will die größte europäische Stadt mit ihren mehr als zehn Millionen Einwohnern 2018 mit die Fußballweltmeisterschaft ausrichten.

Gut ein Jahr vor der nächsten Präsidentenwahl musste Medwedew eine Vielzahl von Problemen einräumen. Eines der gravierendsten ist wohl, dass die Zahl der Terroranschläge im Nordkaukasus 2010 drastisch stieg. Erstmals ging er dabei nun auch die Geheimdienstler direkt an — und forderte personelle Konsequenzen. Die „Silowiki“ stehen im Verdacht, auf eigene Rechnung zu arbeiten.

Zwar präsentieren die Sicherheitsorgane die im Nordkaukasus bei Spezialeinsätzen getöteten islamistischen Untergrundkämpfer wie Siegestrophäen. Aber die russische Bevölkerung interessiert sich kaum für die Zustände in dem von Moskau weit entfernten Krisengebiet; ihr geht es um die Sicherheit daheim.

Der Terror vor der eigenen Haustür setzt Medwedew unter Zugzwang. Echte Rezepte für eine Lösung des Nordkaukasus-Konflikts gibt es jedoch nicht. Russland sei im Kampf gegen den Terror so machtlos wie Irak und Afghanistan, meinte „Wedomosti“.

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