Pofalla beschwichtigt in Spähaffäre

Berlin/Moskau/Washington (dpa) - Die Ausspäh-Aktionen des US-Geheimdienstes NSA ziehen weiter große Kreise. Deutschlands Geheimdienstkoordinator Pofalla stellte sich dem Bundestag, Moskau und Washington streiten um den Informanten Snowden, und selbst beim „Euro Hawk“ hatte die NSA ihre Finger im Spiel.

In der US-Spähaffäre versucht Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU), den Vorwurf einer Totalüberwachung Deutschlands durch Geheimdienste zu entkräften. Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst hielten sich an Recht und Gesetz und achteten den Datenschutz, versicherte Pofalla am Donnerstag nach einer dreistündigen Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums in Berlin. Der Vorsitzende des Bundestags-Gremiums, Thomas Oppermann (SPD), beklagte hingegen, es sei immer noch nicht klar, was die Bundesregierung über das Spähprogramm „Prism“ wisse.

Seit Wochen ist bekannt, dass der US-Geheimdienst NSA im großen Stil die Kommunikation von Bürgern und Politikern in Deutschland auskundschaftet. Details und Umfang sind aber nach wie vor ebenso unklar wie die Rolle der deutschen Nachrichtendienste. Die Affäre hatte der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden ins Rollen gebracht. Im Streit um dessen Auslieferung verschärft sich der Ton zwischen Russland und den USA. Trotz deutlicher Warnungen aus Washington lehnt es Moskau weiter strikt ab, den 30-Jährigen in sein Heimatland zurückzuschicken.

Unterdessen wurde bekannt, dass die NSA auch am inzwischen gescheiterten „Euro Hawk“-Projekt beteiligt war. Wie das Bundesverteidigungsministerium bestätigte, gab es für die Entwicklung der Aufklärungsdrohne Verträge mit der NSA und der US-Luftwaffe. In einem internen Papier vom Dezember 2012, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, wird die NSA auch für Verzögerungen bei „Euro Hawk“ mitverantwortlich gemacht. Neben technischen Problemen und widrigem Wetter wird die „verspätete Beistellung von Geräten und Komponenten durch die US Air Force und die National Security Agency (NSA)“ genannt.

Im Bundestag verwiesen Koalition und Opposition nach der Sitzung des Kontrollgremiums auf eine Stellungnahme der NSA, wonach die Daten deutscher Bürger nicht millionenfach überwacht worden seien. Während Pofalla deshalb den Vorwurf einer Massen-Ausspähung zurückwies, erklärte Oppermann, es gebe nach wie vor keine Erkenntnisse über Umfang und Folgen der Arbeit der National Security Agency. „Wir sind kein Stück weiter gekommen.“

Auch 32 namhafte Autoren wie Juli Zeh und Moritz Rinke mahnten Aufklärung an. In einem offenen Brief, der in der Freitagsausgabe der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ veröffentlicht werden sollte, heißt es: „Wir erleben einen historischen Angriff auf unseren demokratischen Rechtsstaat.“

Konsequenzen fordern auch mehrere Bürgerrechtsgruppen. In einem offenen Brief verlangten unter anderem Greenpeace, der Chaos Computer Club und der Bundesverband der Verbraucherzentralen, „staatliche Überwachungspraktiken, die ohne rechtlichen Rahmen stattfinden, umgehend abzustellen“. Derweil sorgt der Fall des Informanten Snowden für Verstimmung zwischen Russland und den USA. „Eine Auslieferung ist unmöglich“, sagte der Chef des Kreml-Menschenrechtsrats, Michail Fedotow.

US-Außenamtssprecherin Jen Psaki betonte hingegen, Washington wäre „tief enttäuscht“, falls Snowden nach Russland einreisen dürfe. Snowden hat vorläufiges Asyl in Russland beantragt. Ihm fehlt aber offenbar noch immer ein Dokument der russischen Behörden, mit dem er nach mehr als einem Monat den Transitbereich des Moskauer Flughafens Scheremetjewo verlassen könnte.

Im US-Kongress scheiterte unterdessen ein ungewöhnliches Bündnis von Republikanern und Demokraten mit dem Ziel, der NSA straffere Zügel anzulegen. Die Abgeordneten entschieden mit 217 zu 205 Stimmen, dass der Geheimdienst auch künftig Hunderte Millionen Telefongespräche von US-Bürgern uneingeschränkt überwachen und aufzeichnen darf.

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