Interview mit Grünen-Außenexperte Nouripour Iran-Konflikt: „Die Lunte ist so kurz wie noch nie“

Berlin · Der Grünen-Außenexperte Omid Nouripour warnt vor einem Flächenbrand im Nahen Osten. Zudem kritisiert er Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD).

 Ein Mann ruft Parolen während eines Protestes gegen den Angriff auf den iranischen Generals Ghassem Soleimani

Ein Mann ruft Parolen während eines Protestes gegen den Angriff auf den iranischen Generals Ghassem Soleimani

Foto: dpa/--

Nach der Tötung des iranischen Generals Soleimani durch einen gezielten US-Luftangriff in der irakischen Hauptstadt Bagdad droht die Lage im Nahen Osten zu eskalieren. Der außenpolitische Sprecher der Grünen, der gebürtige Iraner Omid Nouripour, warnt vor einem Flächenbrand.

Herr Nouripour, steht die Golf-Region vor einem neuen Krieg?

Omid Nouripour: Die Lunte für einen solchen Krieg ist so kurz wie noch nie. Und sie brennt bereits lichterloh. Zu befürchten ist eine Überreaktion des Iran, auf die wiederum andere Überreaktionen folgen könnten. Es droht eine unaufhaltbare militärische Eskalation.

Eine Reaktion besteht darin, dass das  irakische Parlament den Abzug aller ausländischen Truppen aus seinem Land verlangt. Darunter sind auch Bundeswehrsoldaten. Wie soll Deutschland reagieren?

Nouripour: Abziehen. Es ist nicht nur die Sicherheitslage, die das gebietet. Auch die veränderte politische Situation führt dazu, dass eine Wirksamkeit dieses Einsatzes kaum mehr gegeben ist. Und mit dem Beschluss des irakischen Parlaments fehlt es auch noch an der völkerrechtlichen Legitimation des Einsatzes. Deshalb Abzug und zwar möglichst schnell.

 Omid Nouripour ist Bundestagsabgeordneter und Außenexperte bei den Grünen.

Omid Nouripour ist Bundestagsabgeordneter und Außenexperte bei den Grünen.

Foto: picture alliance/dpa/Kay Nietfeld

Aber die internationale Militärkoalition dient der Bekämpfung der Terrororganisation Islamischer Staat. Würde der Irak durch einen Abzug nicht automatisch instabiler?

Nouripour: In den letzten Wochen ist deutlich geworden, dass dieser Auftrag immer schlechter bis gar nicht funktioniert. Denn die Sicherheitskräfte, die man dort ausbilden wollte, haben auf friedliche Demonstranten geschossen und dabei Hunderte Menschen getötet. Außerdem ist der Einfluss des Iran im Irak mittlerweile so enorm und durch die jüngsten Ereignisse noch zusätzlich gewachsen, dass die westliche Militärallianz Gefahr läuft, Leute auszubilden, die von Teheran kommandiert werden. Das kann nicht Sinn des Einsatzes sein.

Und die womöglich wieder steigende Terrorgefahr stört Sie nicht?

Nouripour: Der Terrorismus gewinnt an Boden, wenn die Sunniten im Irak das Gefühl haben, von den schiitischen Kräften dominiert zu werden. Beim ersten Mal hat es die Entstehung des IS begünstigt mit all den verheerenden Folgen. Der Angriff gegen den iranischen General Soleimani hat bewirkt, dass es eine Einheitsfront der Schiiten auf  Kosten der Sunniten gibt. Und viele Schiiten stehen direkt unter dem Einfluss des Iran, der zu einer Kolonialmacht gegenüber dem Irak geworden ist.

Also soll sich der Westen dort ganz raushalten?

Nouripour: Nein. Die Reform des Sicherheitssektors im Irak bleibt richtig, ist aber unter den widrigen Umständen derzeit überhaupt nicht möglich. Das Gebot der Stunde ist jetzt nicht eine Sicherheitssektor-Reform, sondern Deeskalation. Dafür muss die Krisendiplomatie der Europäer hochgefahren werden, vor allem der Deutschen. Um zu verhindern, dass der Iran überreagiert, muss man unbequeme Reisen auf sich nehmen, das Gespräch suchen und nicht nur vom Schreibtisch aus betonen, man wolle keinen Krieg.

Meinen Sie damit Außenmister Heiko Maas (SPD) persönlich?

Nouripour: Ja. Ich meine Mutlos-Maas. Der deutsche Außenminister war in den letzten Tagen nicht präsent genug, um klar zu machen, dass die Europäer bereit sind, für eine Verhinderung des Krieges auch wirklich etwas zu investieren. Es geht hier um eine militärische Eskalation nicht nur im Iran, sondern auch im Persischen Golf, in der Meerenge von Hormus, im Libanon, in Syrien oder in Afghanistan. Auch dort könnten die iranischen Milizen eingreifen, mit unabsehbaren Folgen für den gesamten Nahen Osten.

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