Niederländer müssen wieder wählen

Premier Mark Rutte kapituliert, weil ihm eine Mehrheit für den Sparetat fehlt.

Den Haag. Für Stabilität sind niederländische Regierungen nicht gerade berühmt. Doch noch schneller als das Kabinett von Mark Rutte haben seit dem Zweiten Weltkrieg nur drei der fast 30 Regierungen des Königreichs aufgeben müssen.

Nach 558 Tagen war am Montag für die Koalition aus Ruttes rechtsliberaler Volkspartei für die Freiheit (VVD) mit den Christdemokraten (CDA) das Aus gekommen.

Es war ein Ende mit Ansage: Praktisch schon bei der Regierungsbildung hatte sich die Opposition quasi mit verschränkten Armen zurückgelehnt und auf diesen Moment gewartet. „Das war doch alles abzusehen“, hört man nun, und manche Kommentare triefen vor Häme.

Tatsächlich galt die von Rutte inszenierte Konstruktion einer politischen Duldung durch den Rechtspopulisten und Islamhasser Geert Wilders und dessen Freiheitspartei PVV von Anfang an als fragil. Ruttes Kabinett war stets ein Kabinett von Wilders Gnaden. Selbst mit den Stimmen der PVV kam die Regierungskoalition im Parlament nur auf 76 der 150 Mandate; später — nach dem Fraktionsaustritt eines PVV-Abweichlers — nur noch auf 75.

Zumindest indirekt wurde Ruttes liberal-christdemokratische Regierung ein Opfer der Eurokrise. Als Wilders nach wochenlangem Tauziehen seine Unterstützung aufkündigte, tat er das offiziell aus Protest gegen die Sparpläne, mit denen Den Haag die Bedingungen des Eurofiskalpaktes erfüllen wollte.

Um 14,2 Milliarden Euro im Haushalt einsparen zu können, wollte Rutte neben der Kürzung der Entwicklungshilfe, die Wilders begrüßte, die Mehrwertsteuer und die Krankenkassenbeiträge erhöhen und das Rentenalter auf 66 Jahre ab 2015 anheben.

Wilders, der mit seiner Anti-Islam-Rhetorik politisch schon lange nicht mehr richtig punkten konnte, sah seine Chance: Er schlüpfte immer mehr in die Rolle des EU-feindlichen Vorkämpfers der sozial Schwächeren, vor allem der Alten: Es könne nicht angehen, dass Hollands Rentner für die Fehlleistungen mächtiger Brüsseler Eurokraten „bluten müssen“.

Das Kalkül des Populisten Wilders scheint klar: Er will an die Macht. Trotz eines rasanten Aufstiegs der PVV innerhalb weniger Jahre im Parlament, war der Rechtspopulist bei der Regierungsbildung 2010 ein Platz am Kabinettstisch versagt geblieben.

Bei einer Neuwahl hofft er, stärker denn je abschneiden und den Posten des Regierungschefs beanspruchen zu können. Der Rechtspopulismus in Europa würde wohl Auftrieb bekommen, zumal bei den Wahlen in Frankreich die extreme Rechte von Marine Le Pen unerwartet stark abschnitt.

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