Vor dem Votum im britischen Parlament So klappt es mit dem Exit vom Brexit

Düsseldorf · Ein zweites Referendum ist möglich, wenn das Parlament es so will. Laut Umfragen gibt es keine Mehrheit für den EU-Austritt.

 Gespaltenes Land: Brexit-Gegner (links) protestieren in London und anderswo auf der Insel ebenso wie jene, die den Austritt aus der EU befürworten.

Gespaltenes Land: Brexit-Gegner (links) protestieren in London und anderswo auf der Insel ebenso wie jene, die den Austritt aus der EU befürworten.

Foto: dpa/Stefan Rousseau

Die Lage auf der Insel ist ganz schön kompliziert. Am 23. Juni 2016 haben sich die Briten mit knapper Mehrheit für den Austritt aus den Europäischen Union entschieden. Was seitdem zwischen London und Brüssel verhandelt wurde, trifft im Vereinigten Königreich aber auf einen breiten Widerstand – und zwar in allen Parteien, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Fakt ist: Es gibt keinen Plan, der nächste Woche bei der Abstimmung im britischen Parlament die Aussicht hat, eine Mehrheit zu finden.

Dass Premierministerin Theresa May mit ihrem Brexit-Deal scheitern wird, liegt vor allem an der irischen Grenze. Das Friedensabkommen zwischen dem bis heute britisch gebliebenen Nordirland und der Republik Irland von 1998 untersagt Grenzkontrollen zwischen den beiden Inselteilen. Genau solchen Kontrollen wären an der irischen Grenze aber nach einem Brexit notwendig. Das vorliegende Abkommen zwischen Brüssel und London löst das Problem trotz unzähliger Gespräche nicht, sondert klammert es einfach aus. Ergebnis: Großbritannien verlässt die EU faktisch überhaupt nicht. Das Königreich bleibt den Regeln des Binnenmarkts unterworfen, darf aber nicht mehr mitbestimmen. Mays Deal stößt deshalb sowohl bei Anhängern als auch Gegnern des Brexits auf Ablehnung.

Ein Verlassen der EU ohne Abkommen wäre verheerend

Für ein Verlassen der EU ohne Abkommen (No-Deal-Brexit) gibt es im Parlament aber auch keine Mehrheit. Den Briten ist inzwischen klar geworden, dass dieser Weg mit dramatischen Wohlstandsverlusten verbunden wäre. Zollschranken würden den Handel mit der EU bestimmen. Für Wirtschaft und Währung wären die Einbußen verheerend.

Was also tun? Trotz ihrer hoffnungslosen Situation schließt Theresa May ein zweites Referendum aus. In ihrer konservativen Partei mehren sich aber die Stimmen, die genau diesen Weg gehen möchten. Ähnlich läuft es bei der Labour-Opposition. Noch setzt Parteichef Jeremy Corbyn einseitig auf Neuwahlen. Aber der Widerstand in der Labour-Fraktion wächst. Über die Parteigrenzen hinweg zeichnet sich immer klarer ab, dass es eine parlamentarische Mehrheit für ein zweites Referendum gibt.

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Die Befürworter dieser Lösung möchten aber den Eindruck verhindern, dass die Abstimmung von 2016 einfach nur wiederholt und damit korrigiert wird. Nach dem Willen der People’s-Vote-Kampagne sollen auf dem Wahlzettel deshalb drei Optionen auftauchen: Ein Brexit ohne Deal. Ein Brexit mit dem May-Deal. Und ein Verbleib Großbritanniens in der EU. Ein solches „Volksvotum“ wäre dann nicht nur eine Abstimmung zu den Bedingungen des Brexits, sondern auch zu der Frage, ob die Briten den Brexit noch wollen.

Und alle vorliegenden Umfragen kommen zu dem Ergebnis, dass eine Mehrheit im Vereinigten Königreich inzwischen in der EU bleiben möchte. Allerdings: Diese Mehrheit ist knapp, eine Garantie für den Exit vom Brexit bei einem weiteren Referendum gibt es sicher nicht.

Rechtlich wäre ein Zurückziehen der Austrittserklärung möglich

Rechtlich wäre eine Rolle rückwärts jedenfalls kein Problem. Der Europäische Gerichtshof hat vor wenigen Wochen entschieden, dass die britische Regierung ihre Austrittserklärung bis zum Inkrafttreten des Brexits am 29. März dieses Jahres zurückziehen kann. Sollte das Parlament in London wie erwartet für ein zweites Referendum stimmen, müsste dieses Datum aber verschoben werden, damit die Abstimmung vorbereitet werden kann. Brüssel hat bereits signalisiert, darin kein Problem zu sehen.

Schwierigkeiten könnte aber ein anderes Ereignis bereiten: Zwischen dem 23. und 26. Mai wählen die Bürger in den EU-Staaten das neue Europaparlament. Laut EU-Vertrag müssen daran alle EU-Mitglieder teilnehmen.

Großbritannien wäre davon eigentlich befreit, denn schließlich will London die EU am 29. März verlassen. Wird die Austrittsfrist allerdings für ein zweites Referendum verlängert, wäre Großbritannien Ende Mai bei der Wahl immer noch EU-Mitglied und müsste an der Europawahl teilnehmen.

Der Brexit-Wahlkampf würde auf der Insel also parallel zum Wahlkampf in Sachen Europaparlament laufen. Durchaus möglich, dass diese Dopplung zu einem Mehr an Interesse führt. Dies wäre eine Umkehrung der Bedingungen vor dem ersten Referendum. Nicht wenige Briten haben hinterher geklagt, sich nicht ernsthaft genug mit den Folgen eines EU-Austritts beschäftigt zu haben. Das wäre diesmal anders. Was die Chancen für den Exit vom Brexit erhöht.

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