Meldung aus Seoul Neue Provokation: Nordkorea feuert erneut Rakete ab

Seoul/Washington (dpa) - Erstmals seit zweieinhalb Monaten hat Nordkorea wieder eine ballistische Rakete abgefeuert. Nach ersten Erkenntnissen handelte es sich um eine Langstreckenrakete. Die Rakete sei von Pyongsong in der Provinz Süd-Pyongan in östliche Richtung abgefeuert worden, meldete die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap am frühen Mittwochmorgen (Ortszeit) unter Berufung auf das Militär in Seoul.

Meldung aus Seoul: Neue Provokation: Nordkorea feuert erneut Rakete ab
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Der neue Raketentest stieß international auf scharfe Kritik.

US-Präsident Donald Trump reagierte allerdings sehr verhalten. „Das ist eine Situation, mit der wir umgehen werden“, sagte Trump vor der Presse im Weißen Haus. Der Raketenstart ändere nichts an der Nordkorea-Politik der USA. Der US-Präsident war über die Situation unterrichtet worden, noch während die Rakete in der Luft war, wie seine Sprecherin Sarah Sanders via Twitter mitteilte.

Die Rakete ist nach Angaben von US-Verteidigungsminister James Mattis so hoch geflogen wie nie zuvor. Wegen der großen Reichweite der Rakete sei dies grundsätzlich eine Bedrohung für jedes Land der Welt. Mattis sagte an der Seite Trumps, offensichtlich setze Nordkorea seine Bemühungen zum Bau einer Interkontinentalrakete fort.

Südkorea reagierte nur fünf Minuten nach dem Start der Rakete mit eigenen Manövern und schoss drei Raketen für Zielübungen ins Meer ab. Südkoreas Präsident Moon Jae In rief in Seoul seinen Sicherheitsrat zu einer Krisensitzung zusammen. Japans Regierung nannte den Test „völlig inakzeptabel“. Ministerpräsident Shinzo Abe kündigte an, den Druck auf Nordkorea „maximieren“ zu wollen. Japan werde eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates beantragen.

Nach ersten Erkenntnissen handelte es sich um eine nordkoreanische Interkontinental-Rakete, wie das Pentagon in Washington mitteilte. Der Flugkörper sei um 17.17 Uhr MEZ abgefeuert worden und nach einer Flugstrecke von rund 1000 Kilometern gen Osten ins Japanische Meer gestürzt. Potenziell können Interkontinental-Raketen, abgefeuert von Nordkorea, auch US-Gebiete erreichen.

„Das nordamerikanische Luftraum-Verteidigungskommando (NORAD) hat festgestellt, dass der Raketentest keine Gefahr für Nordamerika, unsere Gebiete oder unsere Verbündeten dargestellt hat“, teilte das Pentagon mit. „Wir sind weiterhin darauf vorbereitet, uns selbst oder unsere Verbündeten vor jeder Art von Angriff oder Provokation zu verteidigen.“

Die Rakete ist nach japanischen Angaben etwa 50 Minuten geflogen und wahrscheinlich in der Wirtschaftszone Japans im Japanischen Meer gelandet. Verteidigungsminister Itsunori Onodera teilte in Tokio mit, die Rakete sei westlich der Präfektur Aomori niedergegangen. Auch Onodera berichtete, die Rakete sei so hoch wie nie zuvor geflogen.

Mit der Flughöhe hätte die Rakete auch mehr als 10 000 Kilometer fliegen können, berichtete die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap. Damit sei das 7500 Kilometer entfernt gelegene Hawaii, der Sitz des amerikanischen Pazifikkommandos, in Reichweite.

Südkoreas Übung als Reaktion auf den Raketenstart dauerte 20 Minuten, wie der Generalstab laut Yonhap berichtete. Das Heer sowie die Luftwaffe und die Marine seien beteiligt gewesen. Es seien Zielübungen mit Raketen unternommen worden, die die Entfernung zu Nordkoreas Abschussstelle simuliert hätten. Es seien drei Raketen der Typen Hyunmoo-II, Haesong-II und Spice-2000 abgeschossen worden.

„Es zeigt unsere Entschlossenheit und Fähigkeit, jederzeit mit Präzision [...] einen Schlag gegen den Ursprungsort der Provokation und Schlüsseleinrichtungen zu führen“, so der Generalstab in Seoul. US-Verteidigungsminister Mattis sagte, mit den Militärübungen solle Nordkorea zu verstehen gegeben werden, dass es unter Beschuss genommen werden könnte.

EU und Nato kritisierten den Raketenabschuss Nordkoreas aufs Schärfste. „Dies ist ein weiterer Bruch zahlreicher UN-Sicherheitsrats-Resolutionen, der die regionale und internationale Sicherheit untergräbt“, erklärte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. „Nordkorea muss wieder in einen glaubwürdigen und gehaltvollen Dialog mit der internationalen Gemeinschaft eintreten.“

Eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini erkannte eine inakzeptable Verletzung von Nordkoreas internationalen Verpflichtungen. „Der Raketenstart ist eine weitere schwere Provokation und eine ernste Bedrohung für die internationale Sicherheit.“ Nordkorea müsse sein Atom- und Raketenprogramm einstellen.

In den vergangenen Monaten hatten sich die Spannungen in der Region wieder deutlich verschärft, nachdem Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un mehrfach Raketen sowie Anfang September eine weitere Atombombe getestet und damit erneut gegen UN-Resolutionen verstoßen hatte.

Es war der erste Raketentest seit dem 15. September. Seither hatte sich Nordkorea zurückgehalten. Die USA fürchten, dass Nordkorea erfolgreich eine Langstreckenrakete testen könnte, die sogar die US-Pazifikküste erreichen könnte. Die große Flughöhe der getesteten Rakete könnte auf neue Fortschritte Nordkoreas bei der Entwicklung hindeuten.

Ballistische Raketen können mit konventionellen, chemischen, biologischen oder atomaren Sprengköpfen bestückt werden. Je nach System erreichen sie eine maximale Flughöhe von wenigen bis zu mehreren hundert Kilometern. Die im antriebslosen Flug zurückgelegte Strecke - auch Freiflugphase genannt - kann bis zu zehn Mal so lang sein wie der Weg, den die Rakete mit Antrieb während der Schubphase zurücklegt.

Die USA hatten Nordkorea zuletzt auf die Liste der staatlichen Unterstützer von Terrorismus gesetzt. Das US-Finanzministerium verstärkte die Sanktionen gegen das kommunistisch geführte Land. Zahlreiche Länder hatten ihre Wirtschaftsbeziehungen zu Nordkorea bereits deutlich zurückgefahren oder eingestellt.

US-Außenminister Rex Tillerson hatte jüngst weiter Hoffnung auf eine diplomatische Lösung des Konflikts geäußert. „Viele sind der Auffassung, dass bedeutende Resultate erzielt werden“, sagte Tillerson vergangene Woche über die US-Strategie des „maximalen Drucks“ auf Nordkorea.

Nordkorea kritisierte seine Wiederaufnahme auf die US-Liste von Terror-Unterstützerstaaten als „schwere Provokation“.

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