Mutmaßlicher Nazi-Verbrecher Csatary festgenommen

Budapest (dpa) - Vor fast 70 Jahren soll er im Auftrag der Nazis tausende Häftlinge gefoltert haben. Nun geht die ungarische Staatsanwaltschaft nach langem Zögern gegen Laszlo Csatary vor. Der inzwischen 97-Jährige weist alle Anschuldigungen zurück.

Der mutmaßliche Nazi-Folterer Csatary wurde wegen Verdachts auf Kriegsverbrechen festgenommen. Das teilte die Staatsanwaltschaft in Budapest am Mittwoch nach einem ersten Verhör des Beschuldigten mit. Der heute 97-Jährige Ungar habe 1944 als Polizeichef in einem Sammellager Gefangene grausam gequält, die dort wegen ihrer jüdischen Herkunft inhaftiert waren, sagte Staatsanwalt Tibor Ibolya nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur MTI. Im Falle einer Verurteilung drohe Csatary lebenslange Haft.

Csatary habe die Anschuldigungen im Verhör zurückgewiesen, zugleich aber betont, dass er als hoher Polizeibeamter nur „Befehle ausgeführt“ und seine „Pflicht getan habe, sagte Ibolya. Das Jerusalemer Simon-Wiesenthal-Zentrum wirft dem 97-Jährigen vor, während des Zweiten Weltkriegs an der Ermordung von insgesamt 16 000 ungarischen Juden mitgewirkt zu haben.

Nach bisherigen Erkenntnissen habe Csatary von Mai bis Juni 1944 im Sammellager Kosice in der heutigen Slowakei Gefangene gefoltert, sagte Staatsanwalt Ibolya weiter. Csatary habe befohlen, dass die Waggons, mit denen die Gefangenen in andere Konzentrationslager transportiert wurden, keine Lüftung haben sollten. Dies habe fast 12 000 Gefangene betroffen, die binnen jener zwei Monate in vier bis fünf Zügen unter anderem nach Auschwitz gebracht worden seien. Zudem habe Csatary regelmäßig Gefangene mit einer Peitsche geschlagen, ohne Rücksicht auf deren Alter, Geschlecht oder Gesundheitszustand.

Csatary werde nun voraussichtlich unter Hausarrest gestellt. In Anbetracht seines Alters bestehe keine Fluchtgefahr, daher habe man keine Haft beantragt, erklärte der Staatsanwalt weiter.

Am Wochenende war durch Berichte der britischen Zeitung „Sun“ bekanntgeworden, dass Csatary bereits seit Jahren in Budapest lebt. Dies hatte das Simon-Wiesenthal-Zentrums bereits ein Jahr zuvor herausgefunden und sofort die ungarische Staatsanwaltschaft unterrichtet. Als diese daraufhin zunächst keine Schritte gegen Csatary unternahm, schalteten die Jerusalemer Nazi-Jäger die Presse ein.

Noch am Dienstagabend hatte das Wiesenthal-Zentrum den ungarischen Staatspräsidenten Janos Ader aufgefordert, sich für ein baldiges Einschreiten der Behörden gegen Csatary einzusetzen. Ader hielt sich gerade zu einem Besuch in Israel auf.

Csatary war für seine Rolle während der Nazi-Zeit bereits 1948 in der Tschechoslowakei in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden. Er hatte lange unbehelligt in Kanada gelebt. 1997 war ihm die kanadische Staatsbürgerschaft entzogen worden. Daraufhin zog Csatary nach Budapest.

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