Moskau erlaubt Regierungsgegnern Demonstrationszug

Moskau (dpa) - Genau einen Monat vor der russischen Präsidentenwahl dürfen erstmals Zehntausende Regierungsgegner am 4. Februar mit einem Protestmarsch durch Moskaus Zentrum ziehen.

Überraschend lenkten die Behörden am Donnerstag ein und genehmigten eine Demonstrationsroute im Herzen der Hauptstadt. Bisher waren lediglich Kundgebungen ohne Protestmarsch beantragt und erlaubt worden. Erwartet werden vor der Wahl am 4. März mindestens 50 000 Teilnehmer - so viele wie noch nie seit dem Machtantritt von Regierungschef Wladimir Putin vor zwölf Jahren.

Das Lager von Präsidentenkandidat Putin kündigte für den 4. Februar eine Gegenkundgebung in Moskau mit Zehntausenden Anhängern an. Es solle gezeigt werden, wie groß weiter die Zustimmung für den 59-Jährigen sei. Putin, der bereits von 2000 bis 2008 Kremlchef gewesen war, versprach Russlands Rentnern vom 1. Februar sieben Prozent mehr Altersgeld. Kritiker werfen ihm immer wieder vor, mit solchen sozialen Wahlgeschenken Stimmen zu kaufen.

Die Verhandlungen für die neuen Anti-Regierungsproteste seien sehr schwierig gewesen, sagte der Oppositionspolitiker Wladimir Ryschkow dem Radiosender Echo Moskwy. Die Regierungsgegner hatten nach zahlreichen Verboten in der Vergangenheit erstmals Erfolg mit einem Antrag auf einen Marsch in dieser Größenordnung durch die Innenstadt. Die Stadtverwaltung hatte ursprünglich versucht, die Opposition an den Rand der Millionenmetropole zu drängen.

Gleich nach der offiziellen Genehmigung meldeten sich nach Angaben von Echo Moskwy über soziale Netzwerke im Internet mehr als 30 000 Menschen für die Kundgebung an. Die Demonstranten fordern vor allem freie Wahlen. Zuletzt waren allerdings auch Rufe nach einem Ende der Ära Putin immer lauter geworden.

Die Behörden genehmigten 50 000 Teilnehmer für den Protestmarsch, der von der Metro-Station Oktjabrskaja bis zum Bolotnaja-Platz auf einer Insel im Moskwa-Fluss führen soll. Nach dem Ausschluss des liberalen Oppositionspolitikers Grigori Jawlinski von der Wahl hoffen die Regierungsgegner auf noch mehr Zulauf als bei der vorigen Massenkundgebung am 24. Dezember. Damals gingen allein in Moskau mehr als 100 000 Menschen auf die Straße.

Drei Bewerber für das höchste Staatsamt forderten Putin unterdessen auf, sich vor der Wahl einer Fernsehdebatte nach westlichem Vorbild zu stellen. Der 59-Jährige will bislang lediglich einen Vertreter entsenden, da er wegen seiner Arbeit keine Zeit habe.

„Irgendeinen erbärmlichen Mitarbeiter ins Staatsfernsehen zu schicken, ist eine Demütigung der anderen Kandidaten“, sagte der Ultranationalist Wladimir Schirinowski von der Liberaldemokratischen Partei der Zeitung „Iswestija“ (Donnerstag). Das sei ein klarer Verstoß gegen das russische Wahlgesetz. Auch der Kommunist Gennadi Sjuganow und Sergej Mironow von der linkskonservativen Partei Gerechtes Russland unterzeichneten die Forderung.

Parlamentarier des Europarates verlangten mehr Chancen für Kandidaten der Opposition. Gegen Putin könnten nur vier Kandidaten antreten, sagte in Straßburg der Schweizer Sozialdemokrat und Russland-Experte der Versammlung, Andreas Gross. Zur Wahl ist auch der Milliardär Michail Prochorow zugelassen, der öffentlich Kritik an Putin vermeidet.

Zu fairen Wahlen rief auch der Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-russische Zusammenarbeit, Andreas Schockenhoff, auf. „Nur durch transparente Wahlen kann die russische Führung der wachsenden Entfremdung zwischen Staat und Gesellschaft entgegenwirken“, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete nach einer Mitteilung des Auswärtigen Amtes in Berlin.

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