Menschenrechtler beklagen Unregelmäßigkeiten bei Türkei-Wahl

Istanbul. Die türkische Wahlkommission hat beim Referendum über die Einführung eines Präsidialsystems auch nicht von ihr verifizierte Stimmzettel zugelassen. Noch während der laufenden Abstimmung am Sonntag erklärte die Kommission auf ihrer Website, dass auch nicht von ihr gekennzeichnete Stimmzettel und Umschläge als gültig gezählt würden.

Eine Frau verlässt am Sonntag in einem Wahllokal in Istanbul eine Wahlkabine.

Eine Frau verlässt am Sonntag in einem Wahllokal in Istanbul eine Wahlkabine.

Foto: Emrah Gurel

Normalerweise werden diese von der Kommission gestempelt um sicherzustellen, dass keine Zettel oder Umschläge von außen verwendet werden. Hintergrund der Entscheidung ist, dass einige Bezirkswahlkommissionen bei der Abstimmung nicht verifzierte Stimmzettel und Umschläge an die Wähler ausgeteilt hatten.

Mehmet Hadimi Yakupoglu, Vertreter der größten Oppositionspartei CHP, kritisierte die Entscheidung und sagte, er sei in der Kommission überstimmt worden.

Menschenrechtler haben Unregelmäßigkeiten bei der Stimmabgabe beim Referendum über ein Präsidialsystem in der Türkei beklagt. In einem Zwischenbericht des türkischen Menschenrechtsvereins IHD hieß es am Sonntag, in fünf Provinzen sei den Wahlbeobachtern des Vereins der Zutritt zu Wahllokalen verweigert worden. Zudem seien in den ost- und südosttürkischen Provinzen Agri, Erzurum und Adiyaman Wähler dazu gezwungen worden, offen abzustimmen.

In Erzurum und dem osttürkischen Van hätten Soldaten und bewaffnete Dorfschützer Beobachter der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP bedroht und von ihrer Aufgabe abgehalten. In der Hauptstadt Ankara sei ein offizieller Beobachter aus dem Wahllokal gezerrt worden.

Die IHD kritisierte weiter, in der südosttürkischen Provinz Sanliurfa säßen in jedem Wahllokal zwei bewaffnete Polizisten. Grundsätzlich würden vor allem in kurdisch geprägten Regionen Sicherheitskräfte verstärkt eingesetzt. Diese hielten sich zudem nicht an die gesetzliche Regelung, wonach Sicherheitskräfte einen Abstand von mindestens 15 Metern zur Wahlurne einhalten müssen.

Auch in der südosttürkischen Provinz Diyarbakir soll die Polizei Wahlbeobachter der Opposition in ihrer Arbeit behindert haben. Der HDP-Abgeordnete Ziya Pir sagte der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag nach Schließung der Wahllokale in der Region, Wahlbeobachter seiner Partei und der größten Oppositionspartei CHP seien in Diyarbakir von Polizisten abgeführt worden. Erst nach Intervention der Wahlkommission hätten die Beobachter zurückkehren können, sie hätten aber zwei bis drei Stunden des Abstimmungsprozesses verpasst. Pir sagte: „Das richtete sich gezielt gegen das Nein-Lager“ - also gegen die Gegner des von Staatschef Recep Tayyip Erdogan angestrebten Präsidialsystems.

Hintergrund sei, dass auf Wahlbeobachter-Karten der Betroffenen Name beziehungsweise Symbol ihrer Partei abgebildet gewesen sei. Die Polizisten hätten argumentiert, dass die Verwendung von Parteisymbolen nicht gestattet sei. Die Beobachter hätten die Karten aber in ihren Taschen und nicht offen getragen, was aus Sicht der Wahlkommission unproblematisch gewesen sei. Pir sagte: „Das war in der Vergangenheit immer so, da hat sich nie einer drum gekümmert.“ dpa

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