Mehr als 200 Leichen vor Lampedusa geborgen

Rom/Brüssel (dpa) - Europa setzt nach der Tragödie vor Lampedusa die Flüchtlingspolitik ganz oben auf die Agenda. Die EU-Innenminister werden in Luxemburg über Konsequenzen aus dem Drama mit mehr als 200 Toten beraten.

Viele Politiker forderten einen grundlegenden Umbau der europäischen Einwanderungspolitik.

Die Bundesregierung wies Kritik an ihrer Asylpolitik zurück. Regierungssprecher Steffen Seibert widersprach dem Vorwurf, Deutschland nehme nicht genug Flüchtlinge auf. Deutschland tue das, „was seiner Größe und seiner Bevölkerungszahl in Europa entspricht“.

Vor der Küste der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa bargen Taucher am Montag 17 weitere Leichen. Die Zahl der Opfer stieg damit offiziell auf 211, wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete. In dem Schiffswrack in mehr als 40 Metern Tiefe werden jedoch noch weitere Tote vermutet.

Von den mehr als 400 Menschen an Bord des gesunkenen Flüchtlingsschiffes konnten nur 155 lebend gerettet werden. Bis auf einen Tunesier sollen sie aus Eritrea stammen. Das Schiff mit den Migranten war am Donnerstag vor der Insel in Flammen aufgegangen und gekentert.

Am Montag kamen weitere Migranten an den italienischen Küsten an. Etwa 200 Menschen wurden am Morgen vor der Küste Siziliens gerettet.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso kündigte an, am Mittwoch selbst nach Lampedusa zu reisen. Er werde vor Ort der Opfer gedenken und den Menschen in Lampedusa seine Unterstützung und die Solidarität Europas aussprechen, teilte die EU-Kommission mit.

Zuvor waren die Forderungen nach einem Umbau der europäischen Flüchtlingspolitik laut geworden. „Es ist eine Schande, dass die EU Italien mit dem Flüchtlingsstrom aus Afrika so lange alleingelassen hat“, sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz der Zeitung „Bild“ (Montag). Die Flüchtlinge müssten in Zukunft gerechter auf die EU-Mitgliedsstaaten verteilt werden. „Das heißt auch, dass Deutschland zusätzliche Menschen aufnehmen muss.“

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe verlangte eine „umfassende Antwort“ der EU auf das Drama von Lampedusa. Dazu gehörten die Armutsbekämpfung in afrikanischen Staaten, Verbesserungen bei der Seenotrettung und im Kampf gegen Schlepperbanden sowie eine humane Flüchtlingspolitik, sagte er nach einer Präsidiumssitzung in Berlin. Hierbei leiste Deutschland schon einen „erheblichen Beitrag“.

Auch EU-Kommissar Günther Oettinger mahnte eine Überprüfung der europäischen Flüchtlingspolitik an. „Die Frage ist doch, ob Italien alleine in der Lage ist, diese Außengrenze kompetent, aber auch menschengerecht zu sichern und zu handeln, oder ob es eines Mechanismus' für die Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der Europäischen Union als Folge bedarf“, sagte der CDU-Politiker.

Ein Sprecher des deutschen Innenministeriums sagte, „der Ruf nach einem gerechteren Verteilungsmechanismus“ für Flüchtlinge in Europa lasse sich mit Blick auf Deutschland nicht zahlenmäßig begründen. Deutschland habe beispielsweise im vergangenen Jahr rund 65 000 Asylbewerber aufgenommen - Italien lediglich 15 000.

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