Polit-Talkshow Maischberger: Wallraff nennt Erdogans Türkei "islamo-faschistische Diktatur"

Nach ihrer Rückkehr spricht Mesale Tolu über die türkische Gefangenschaft. Die anderen Gäste bei Maischberger diskutieren über den geplanten Staatsempfang von Erdogan - dabei sticht Günter Wallraff heraus.

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Düsseldorf. Verfolgt die türkische Regierung um Erdogan mit der Ausreisegenehmigung von Mesale Tolu eine Annährungspolitik an Deutschland und hofft nun ihrerseits auf Hilfe in der türkischen Wirtschaftskrise? Und ist es das richtige Zeichen, den türkischen Präsidenten in so einer Zeit mit einem Staatsbankett und einem Roten Teppich zu empfangen? Mit diesen Fragen beschäftigte sich am Mittwochabend Sandra Maischberger mit ihren Gästen in ihrer Polit-Talkshow.

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Hier führte Maischberger auch das erste Interview mit Mesale Tolu im deutschen Fernsehen, seit sie aus der Türkei ausreisen durfte. Die weiteren Gäste in der Sendung waren der Enthüllungsjournalist und Erdogan-Kritiker Günter Wallraff, der CDU-Politiker und Europa-Abgeordnete Elmar Brok, die Erdogan-Biografin Cigdem Akyol, der Leiter der türkischen Redaktion von WDR Cosmo Erkan Arikan sowie der Chef des Ifo-Instituts Clemens Fuest.

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Direkt zu Beginn der Sendung bezeichnete der CDU-Politiker Elmar Brok Erdogan als türkischen Macho, der sich niemals für sene Nazi-Vorwürfe entschuldigen würde - zumindest nicht gegenüber einer Frau, also Angela Merkel. Ein Satz, der tief blicken lässt, wenn man sieht, dass Brok im Laufe der Sendung der einzige Gast war, der zwischendurch so etwas wie Verständnis für den türkischen Präsidenten zeigte. Denn eine Entschuldigung für diese Äußerungen will Brok auch nicht zu einer Bedingung für die kommenden Verhandlungen mit der Türkei machen.

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Ganz anders sieht es Günter Wallraff. Der Erdogan-Gegner findet, dass Macho noch eine viel zu nette Bezeichnung für ihn ist. Er weist darauf hin, dass Erdogan den großen Empfang, den er in Deutschland trotz der angespannten Beziehungen bekommt, als Schwäche der Bundesregierung auslegen wird.

Die Biografin Akyol und der WDR-Journalist Arikan hoffen beide auf eine Wiederaufnahme des politischen Dialogs beider Länder. Besonders um der türkischen Bevölkerung in der Türkei nun zu zeigen, dass man sie in der Krise nicht allein lassen wird.

Nachdem jeder der anwesenden Gäste seine Haltung in einem Eingangsstatement klar machen konnte, wurde das Interview von Sandra Maischberger mit Mesale Tolu eingespielt, die nicht im Studio anwesend war.

Mesale Tolu erzählt in dem Interview viele persönliche Dinge. Zum Beispiel, dass sie sich erst als sie in Deutschland bei ihrem Vater zuhause war, wieder sicher gefühlt habe. Dass sie weiterhin schlecht schlafen kann, nachts immer wieder aufwacht und dass die Zeit im Gefängnis nicht nur Spuren bei ihr, sondern auch bei ihrem Sohn hinterlassen hat. Dieser war mit seiner Mutter zusammen in einer Zelle im Gefängnis untergebracht. Der Zweijährige sei auch dabei gewesen, als die türkische Anti-Terror-Einheit Tolu damals nachts in ihrer Wohnung festgenommen hatte. Sie beschreibt alle diese Dinge sehr eindrücklich und detailliert.

In dem Gespräch berichtet sie auch, dass sie während der Gefängniszeit viel Unterstützung aus Deutschland erhalten hätte. Besonders von vielen Frauen aus Deutschland, die ihr Briefe und Spielsachen für ihren Sohn geschickt hätten. Die meisten Spielsachen seien aber von den Gefängniswärtern nicht erlaubt worden, erklärt Tolu. Auf Maischbergers Frage, warum die Journalistin trotz dieser Erlebnisse zu ihrer fortdauernden Gerichtsverhandlung wieder zurück in die Türkei will, erklärt Tolu, dass es ihr dabei um ihren Mann gehe. Der habe noch keine Ausreisegenehmigung erhalten. Dafür wolle sie kämpfen. Obwohl der Staatsempfang für Erdogan den Eindruck hinterlassen könnte, dass Deutschland die Politik des türkischen Präsidenten unterstützt, rät sie dazu, den politischen Dialog zwischen Deutschland und der Türkei fortzuführen.

Nach dem Interview mit Mesale Tolu geht es zurück ins Studio. CDU-Politiker Elmar Brok versucht zu beschwichtigen und erklärt, dass ein Staatsempfang nun mal völlig normal sei, wenn sich die Präsidenten zweier Länder treffen. Man sollte dem seiner Meinung nach nicht zu viel Bedeutung bemessen, für den russischen oder den chinesischen Präsidenten gäbe es solche Empfänge ja auch. Hier pflichtet ihm Cigdem Akyol bei, die mit dem Satz „Man könne Erdogan ja schlecht mit einem Karnevalsverein begrüßen“ für einige Schmunzler in der Runde sorgt.

Während sich mit Elmar Brok, Cigdem Akyol und Erkan Arikan drei Parteien in der Runde im weiteren Verlauf immer mehr darauf einigen können, dass man Erdogan empfangen, an zukünftige Hilfen aber harte Bedingungen knüpfen, sollte, sieht Günter Wallraff das deutlich anders. Er bezeichnet Erdogangs Regierung als islamo-faschistische Diktatur und fordert einen härteren Kurs gegenüber der Türkei. Dieser würde seiner Ansicht nach in der aktuellen schlechten wirtschaftlichen Lage dazu führen, dass Erdogan den Rückhalt in der leidenden Bevölkerung verliert - und sein Amt verlieren könnte.

Diese Meinung lehnt neben Brok, Akyol und Arikan auch der nun per Videokonferenz zugeschaltete Chef des Ifo-Instituts Clemens Fuest ab. Der Volkswirtschaftsprofessor betont, dass die wirtschaftliche Krise, in der die Türkei sich befindet, wirklich ernst ist. Alle Maßnahmen, die Erdogan in letzter Zeit zur Abwendung der Krise ergriffen hätte, seien keine wirklichen Lösungen. In diesem Zusammenhang wird auch der Aufruf des türkischen Präsidenten genannt, Dollar wieder in Lira umzutauschen. Worauf der WDR-Journalist Arikan erklärt, dass es sich bei den Intente-Videos, in denen Dollars verbannt werden, nicht um echtes Geld handeln würde. So weit würde die Liebe zu Erdogan nur bei einigen ganz wenigen Hardlinern in der Türkei gehen.

Während Enthüllungsjournalist Wallraff also eine strikte Politik der Ablehnung des türkischen Präsidenten fordert und sogar bereit ist darauf zu wetten, dass bei Einhaltung dieser, Erdogan in zwei bis vier Jahren nicht mehr im Amt sei, wünschen sich alle weiteren Gäste eine Mix-Politik aus harter Hand aber auch Zugeständnissen.

Hier betont der EU-Abgeordnete Brok nochmal am klarsten, dass eine Abneigung gegenüber Erdogan und seiner Politik nicht zu einer Abneigung gegenüber dem türkischen Volk werden dürfte. Deutschland solle im Gegenteil bei Erdogan dafür kämpfen, dass die Situation sich für die Bevölkerung in der Türkei wieder verbessert.

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