Kroatien ist EU-Mitglied Nummer 28

Zagreb (dpa) - Die ersten Zollschilder an den Grenzen sind abmontiert, das Telefonieren ist günstiger, und künftig fällt viel Papierkram weg: Kroatien ist als 28. Mitglied der EU beigetreten. Brüssel mahnt im Gegenzug weitere Reformen an.

„Wir müssen weiterarbeiten, um die Vorteile, die diese Veränderungen bringen, zu genießen“, sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Montag bei der Eröffnung des Europäischen Hauses in der Hauptstadt Zagreb. Dort sind in Zukunft die Büros des Europaparlaments und der EU-Kommission untergebracht. Der kleine Mittelmeerstaat Kroatien war Schlag Mitternacht das 28. Mitgliedsland der Europäischen Union geworden.

Kroatien ist nach Slowenien das zweite EU-Mitgliedsland aus dem ehemaligen Jugoslawien. Die frühere jugoslawische Republik, die seit 1991 selbstständig ist, bringt große Probleme mit. Die Wirtschaft ist schwer angeschlagen, die Industrie liegt am Boden, die Sozialsysteme drohen zusammenzubrechen, und die öffentliche Verwaltung muss modernisiert werden.

„Die EU-Mitgliedschaft wird keine magischen Lösungen bringen, aber den Menschen helfen, besser zu leben“, sagte der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz. Premierminister Zoran Milanovic betonte, Kroatien habe seine Infrastruktur allein aufgebaut. „Aber das heißt nicht, dass wir Geld zurückweisen, welches uns die EU zur Verfügung stellt“, sagte Milanovic.

In den frühen Morgenstunden hatte Finanzminister Slavko Linic am Grenzübergang Bregana zu Slowenien die alten Zollschilder abgeschraubt. Ein Orchester des Zolls spielte die Europahymne, als die EU-Flagge aufgezogen wurde. Auch an den Grenzen zum EU-Mitglied Ungarn wurden die Zolltafeln abmontiert.

Als eine der ersten Auswirkungen des EU-Beitritts wurde am Montag das Telefonieren billiger. Durch die Anwendung der entsprechenden EU-Richtlinien hätten die Roamingtarife für Handys deutlich nachgegeben, berichteten die Medien in Zagreb. Zudem erhalten alle Kroaten eine EU-weit gültige Krankenversicherung.

Einen Vorzug sehen viele im Land auch in der Chance, EU-weit Arbeit suchen zu können. Derzeit sind rund 400 000 Kroaten arbeitslos. Allerdings haben bisher nicht alle EU-Mitglieder ihren Arbeitsmarkt für die Kroaten geöffnet - neben Deutschland werden auch Spanien, Slowenien, die Niederlande, Österreich, Großbritannien, Belgien und Luxemburg für weitere sieben Jahre einige Einschränkungen aufrechterhalten.

Trotz vieler Erleichterungen blieb die allgemeine Stimmung zum Beitritt etwas gedämpft. Viele bezweifeln, dass die EU-Mitgliedschaft wirklich viel an der schlechten wirtschaftlichen Lage Kroatiens ändern wird. Andere befürchten, dass ihnen nun aus Brüssel erneut eine Regierung von oben über ihre Köpfe hinweg entscheidet, nachdem Kroatien noch bis vor 22 Jahren Teil der Jugoslawien war.

Die EU wird mit dem Beitritt des Urlaubslandes an der Adria um 4,4 Millionen Einwohner größer.

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