Prozessbeginn Kremlgegner Nawalny droht lange Haftstrafe - Erste Festnahmen bei Demos

Moskau · Unter einem beipiellosen Polizeiaufgebot hat in Moskau der international umstrittene Prozess über eine lange Haft gegen den Kremlgegner Alexej Nawalny begonnen.

 Ein Polizeiwagen vor dem Gebäude in Moskau, das die Bewährungsstrafe des russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny überprüfen soll. Foto: Alexander Zemlianichenko/AP/dpa

Ein Polizeiwagen vor dem Gebäude in Moskau, das die Bewährungsstrafe des russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny überprüfen soll. Foto: Alexander Zemlianichenko/AP/dpa

Foto: Alexander Zemlianichenko

Das Moskauer Stadtgericht wurde von Hundertschaften der auf Anti-Terror-Einsätze spezialisierten Sonderpolizei OMON bewacht und weiträumig abgesperrt mit Metallgittern, wie eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur vor Ort berichtete. Der Staatsmacht rüstete sich gegen Proteste von Nawalnys Unterstützern. Es gab schon vor Beginn der als politische Inszenierung kritisierten Verhandlung erste Festnahmen.

Zum Prozess kam ebenfalls Nawalnys Ehefrau Julia Nawalnaja, die eine schwarze Gesichtsmaske trug. Nawalny stand in einem Glaskasten im Gerichtssaal und sprach mit seiner Frau, wie der Internetkanal Doschd berichtete. „Sie haben dich im Fernsehen in meiner Zelle gezeigt und erzählt, dass du ständig die öffentliche Ordnung störst. Böses Mädchen! Ich bin stolz auf dich“, sagte er demnach. Nawalnaja war bei den Protesten zuletzt zweimal festgenommen worden.

Die Zufahrtsstraßen zum Gerichtsgebäude waren gesperrt, es standen zahlreiche Gefangenentransporter bereit. Vor dem Gericht gab es auch Polizei auf Pferden. Viele Experten sehen in dem Prozess einen neuen Versuch, den Gegner von Kremlchef Wladimir Putin zum Schweigen zu bringen.

Vor dem Gerichtsgebäude versammelten sich Anhänger des bekanntesten Kritikers von Russlands Präsident Wladimir Putin. 24 Menschen seien in Gewahrsam genommen worden, teilte die Nichtregierungsorganisation OVD-Info mit. Reporter der Nachrichtenagentur AFP sahen, wie eine große Zahl an Sicherheitskräften gegen die Nawalny-Anhänger vorging.

Mit Verstößen gegen Bewährungsauflagen hatten die Behörden bereits die Festnahme von Nawalny unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Deutschland Mitte Januar begründet. Er war im Eilverfahren zu 30 Tagen Haft verurteilt worden.

Am Sonntag sowie am Wochenende davor hatte es landesweit Proteste gegen Putin und für die Freilassung Nawalnys gegeben. Knapp 10.000 Menschen wurden insgesamt bei den Demonstrationen festgenommen.

Nawalny überlebte im August nur knapp einen Mordanschlag mit dem international geächteten chemischen Kampfstoff Nowitschok. Der 44-Jährige macht für das Attentat Putin und Agenten des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB verantwortlich. Nawalny sieht den Prozess als Strafe des Kreml dafür, dass er nicht gestorben ist. Putin und der FSB hatten die Vorwürfe des Anschlags zurückgewiesen.

In der Zeit in Deutschland, als Nawalny sich von dem Attentat erholte, soll er sich nicht - wie in einem früheren umstrittenen Strafverfahren vorgeschrieben - bei den russischen Behörden gemeldet haben. Der russische Strafvollzug will deshalb nun vor Gericht eine Bewährungsstrafe in echte Haft umwandeln lassen. Die Generalstaatsanwaltschaft befürwortete das bereits. Experten eine Haftstrafe bis zu zweieinhalb Jahre.

© dpa-infocom, dpa:210202-99-262677/4

(dpa/AFP)
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