Korruptionsverdacht überschattet Wahl

In der Slowakei wird am Samstag ein neues Parlament gewählt. Die gesamte politische Elite steht am Pranger.

Bratislava. „Ins Gefängnis mit den Verbrechern!“ skandieren seit Wochen Tausende Slowaken auf den Straßen Bratislavas und anderer Städte der Slowakei. Der Unmut richtet sich gegen die gesamte politische Elite des Landes. Und die stellt sich am Samstag dem Votum der Bürger — bei einer vorgezogenen Parlamentswahl.

Fast alle relevanten politischen Parteien kommen in mutmaßlichen Geheimdienstprotokollen vor, die im Dezember an die Öffentlichkeit gelangt waren. Sollten die aus 2005 und 2006 stammenden Abhörprotokolle mit dem Codenamen „Gorilla“ echt sein, würden sie ein riesiges Korruptionsnetz um bis Samstag regierende Politiker belegen. Sie haben demnach jahrelang gemeinsam mit einer Finanzgruppe alle wesentlichen Privatisierungen und staatlichen Auftragsvergaben gesteuert und dabei kräftig die Hand aufgehalten. Dem Staat sei dabei ein Schaden von Hunderten Millionen Euro entstanden.

Im Zentrum der Vorwürfe steht die vom damaligen Regierungschef und heutigen Außenminister Mikulas Dzurinda angeführte größte Regierungspartei, die christlich-liberale SDKU. Nach Meinungsumfragen droht ihr deshalb, unter die Fünf-Prozent-Hürde zu rutschen.

Alle 26 kandidierenden Parteien versuchen sich nun als Kämpfer gegen Korruption zu präsentieren. Wahlfavorit aber ist der erst 47 Jahre alte sozialdemokratische Oppositionsführer Robert Fico. Der mit Abstand beliebteste Politiker des Landes spricht jene Wählermassen an, denen es besonders schlecht geht im Land. Immerhin hat die Slowakei mit 14 Prozent eine der höchsten Arbeitslosenquoten in Europa. Das Durchschnittseinkommen in dem Euro-Land liegt bei 800 Euro brutto pro Monat.

In den Hintergrund geraten ist der Anlass für die Wahl: Die Koalition aus vier bürgerlichen Parteien war im Oktober am Streit um den Euro-Rettungsschirm EFSF zerbrochen. Regierungschefin Iveta Radicova hatte die Parlamentsabstimmung über die EFSF-Ausweitung mit der Vertrauensfrage verknüpft.

Ein Nein der Slowakei hätte die EFSF-Erweiterung für die gesamte Eurozone blockiert. Radicovas neoliberale Koalitionspartner ließen sie im Regen stehen. Erst mit den Stimmen der von Fico geführten Opposition gab das Parlament nach Radicovas Rücktritt dann doch seine Zustimmung zur EFSF-Erweiterung.

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