Kampf um den Libanon

Der Konflikt in Syrien droht auf das Nachbarland überzugreifen. Dieses gilt als religiös tief gepalten.

Beirut. Der Bürgerkrieg in Syrien wird nun auch für das Nachbarland Libanon zu einer echten Zerreißprobe: Am Rande der Trauerfeier für die Opfer des verheerenden Bombenanschlages in Beirut vom Freitag versuchten aufgebrachte Demonstranten am Sonntag, den Sitz der pro-syrischen Regierung zu stürmen. Die Armee setzte Panzer ein.

Die Opposition will die Regierung in Beirut sogar zum Rückzug zwingen. Beobachter sehen die Drahtzieher für das Attentat, bei dem der mächtige libanesische Geheimdienstchef Wissam al-Hassan starb, in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Das Attentat gefährdet damit den brüchigen Frieden im Libanon, da das Land — was die Haltung zum Regime in Syrien angeht — zutiefst gespalten ist.

Tausende Libanesen nahmen am Sonntag an der Trauerkundgebung für al-Hassan teil. Die Demonstranten hatten libanesische Fahnen dabei und riefen: „Wir wollen den Rücktritt dieser syrischen Regierung.“ Bei der Explosion einer Autobombe im christlichen Viertel Aschrafijeh waren insgesamt acht Menschen getötet und mehr als 80 verletzt worden. Nach Ansicht von Beobachtern galt der Anschlag dem Geheimdienstchef, der der anti-syrischen Zukunftsbewegung nahestand.

Al-Hassan gehörte zu den sunnitischen Muslimen. Mehrheitlich sunnitisch ist auch die Oppositionsbewegung 14. März von Saad Hariri. Er ist der Sohn des 2005 ebenfalls bei einem Anschlag getöteten Ministerpräsidenten Rafik Hariri. Ihr Feind ist Syrien — das Land, das sich einst als Schutzmacht aufgespielt hatte und dessen Soldaten nach dem Hariri-Attentat aus dem Libanon vertrieben wurden. Viele warfen Syrien eine Mittäterschaft vor.

In der Tat spricht vieles dafür, dass Syrien hinter dem Anschlag steht: Wissam al-Hassan stand nicht nur der Bewegung 14. März sehr nahe. Er soll jüngst ein Komplott aufgedeckt haben, dessen Ziel es war, syrienkritische Libanesen zu töten. Auch der Ort des Anschlags könnte ein Hinweis dafür sein: Nicht weit entfernt ist das Büro der 14.-März-Bewegung. Das Attentat hat damit eine innenpolitisch gefährliche Komponente. Denn in Beirut regiert ein pro-syrisches Bündnis — dominiert von Hisbollah — einer Organisation schiitischer Muslime.

Im politischen System des Libanon spielt Religion eine große Rolle. Die Macht in dem Land wird nach einem Proporzsystem verteilt. Der Präsident ist immer Christ, der Ministerpräsident Sunnit, der Parlamentspräsident Schiit. Vor allem die Schiiten finden das ungerecht, dürften sie doch inzwischen zahlenmäßig in der Mehrheit sein.

Die Hisbollah ist im Libanon derzeit zwar de facto an der Macht — doch sind die Schiiten geschwächt. Der Arabische Frühling hat vor allem den Sunniten in der Region Rückenwind gegeben.

Der wichtige Verbündete der Hisbollah, Baschar al-Assad, gehört der Gruppe der Alawiten an, einer schiitischen Gemeinschaft. Er kämpft im syrischen Bürgerkrieg ums Überleben. Das wollen jetzt offenbar auch die Sunniten im Libanon ausnutzen. Sie fordern einen Rücktritt ihrer Regierung. Doch die sagt Nein — zumindest vorerst.

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