Hollandes Prestigeprojekt taumelt

Verfassungsrat bremst Reichensteuer aus und setzt Präsidenten damit unter Druck. Im schwachen Kabinett drohen Wechsel.

Paris. Es geht um einen Bruchteil der Staatseinnahmen. Die Reichensteuer soll Frankreich jährlich 210 Millionen Euro bringen, weniger als ein Prozent der zu erwartenden Einkommensteuer. Doch das vorläufige Aus für die Sonderabgabe durch das Veto des Verfassungsrates ist eine Schlappe für Präsident François Hollande. Das Projekt Reichensteuer geht auf ihn persönlich zurück.

Der Élysée-Palast betonte umgehend, der Staatschef habe „gelassen“ auf die Entscheidung reagiert. Auf dem Papier geht es um formale Kriterien. Dem obersten Gericht passte die Steuergrundlage nicht: Beim Einkommen gehe es um Haushalte, nicht um Einzelpersonen.

Die Entscheidung trifft einen zentralen Punkt aus Hollandes erfolgreicher Wahlkampagne. Im Februar zauberte er ohne Vorwarnung die 75-Prozent-Steuer aus dem Wahlkampfhut. Seine sozialistischen Freunde waren ebenso überrascht wie die Rechte um Gegner Nicolas Sarkozy verblüfft. Die öffentlichkeitswirksame Forderung entwickelte sich schnell zum Motor für den Wahlkampf, die Pläne für eine Reichensteuer gelten als eine Säule für den Wahlsieg Hollandes.

Premierminister Jean-Marc Ayrault zielte wohl auf den formalen Aspekt des Verfassungsrates, als er in der Reaktion von einem „symbolischen Einschnitt“ sprach. Für Gegner der Regierung ist die Entscheidung auch symbolisch für ein glücklos agierendes Kabinett.

Ayraults Ministerrunde hat es in Zeiten der Wirtschaftskrise mit steigenden Arbeitslosenzahlen und stagnierendem Wachstum eben auch mit einer Reihe hausgemachter Probleme zu tun. Mancher Ressortchef ist auf der Suche nach Profil schon ins Straucheln geraten.

Innenminister Manuel Valls brüskierte die Opposition, als er im Parlament die Rechte für das Wiedererstarken des Terrorismus verantwortlich machte: „Die Rückkehr des Terrorismus in diesem Land, das seid Ihr.“ Hollande selbst pfiff den Minister zurück.

Als Mann politischer Zukunft und mitunter zu schneller Worte gilt auch Industrieminister Arnaud Montebourg. Bei der Auseinandersetzung um die geplante Schließung des Stahlkonzerns ArcelorMittal nannte er den indischen Investor Lakshmi Mittal unerwünscht im Land — Kopfschütteln in der Wirtschaft. Der als Heißsporn geltende Politiker ist in diesem Jahr schon zum zweiten Mal wegen einer harscher Äußerung über Gegner zu Schadenersatz verurteilt worden.

Erziehungsminister Vincent Peillon wagte einen Vorstoß zur Legalisierung weicher Drogen. In der empörten Debatte ließ Ayrault seinen Minister im Regen stehen: „Es wird keine Entkriminalisierung von Cannabis geben.“

Gerüchte über eine Kabinettsumbildung machen die Runde. Auch Premier Ayrault gilt als Wackelkandidat. Aus Hollandes Umfeld kommen nur anonyme Einschätzungen: „Eine Überraschung ist mindestens so wichtig wie ein Wechsel selbst.“

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