Generalstreik: Nichts geht mehr in Spanien

Gewerkschaften legen Nahverkehr und viele Fabriken lahm — aus Protest gegen ein neues Sparpaket.

Madrid. „Geschlossen wegen Generalstreik.“ An U-Bahn-Eingängen, Schulen und Amtsstuben in Spanien klebte am Donnerstag diese Botschaft. Andernorts standen Streikposten, um dafür zu sorgen, dass für 24 Stunden möglichst wenig läuft: vor Großmärkten, Fabriken, Hafenzugängen, Busbahnhöfen, Eisenbahndepots und auf Flughäfen.

Fließbänder und der öffentliche Transport standen still, viele Flüge wurden abgesagt oder waren verspätet. In anderen Bereichen wurde das ganz große Chaos jedoch vermieden: Geschäfte und Banken waren überwiegend geöffnet, auch Urlauber waren nur vereinzelt von Folgen des Streiks betroffen.

Spaniens Gewerkschaften protestierten gegen die Arbeitsmarktreform und den immer schärferen Sparkurs sowie „sozialen Kahlschlag“ der konservativen spanischen Regierung. Geplant sind eine Lockerung des Kündigungsschutzes und eine Aufweichung der Lohnregelungen.

Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy will so die Unternehmer ermutigen, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Spanien hat mit 23,3 Prozent die höchste Arbeitslosenquote der Europäischen Union. Bei den Unter-25-Jährigen ist sogar jeder zweite ohne Job.

Nach Ansicht der Gewerkschaften dient die Arbeitsmarktreform nur dazu, „noch mehr Leute zu feuern“. Auch Ministerpräsident Rajoy rechnet damit, dass die Arbeitslosigkeit zunächst weiter steigen wird. Kurzfristig werde die Reform keine positiven Auswirkungen haben, aber mittelfristig „schafft sie die Basis, um Beschäftigung zu erzeugen“.

Der Grund für Spaniens Arbeitslosendrama liegt in einer heftigen Wirtschaftskrise, die 2008 mit dem Ende des Immobilienbooms begann. Der Absturz der aufgeblasenen Baubranche zog die gesamte Wirtschaft samt Bankensektor in den Abgrund. Für dieses Jahr wird ein Rückgang der Wirtschaftsleistung um mindestens 1,5 Prozent erwartet.

Der Generalstreik ist die erste große Kraftprobe der Gewerkschaften mit Spaniens konservativer Regierung, die inzwischen 100 Tage im Amt ist. Der Arbeitskampf kommt im ungünstigsten Moment für Spanien, das wegen seiner hohen Staatsverschuldung und seines tiefen wirtschaftlichen Falls als Euro-Risikokandidat gilt.

Erst Recht seit Regierungschef Rajoy verkündete, dass Spanien die für 2012 mit der EU vereinbarte Defizitreduzierung nicht einhalten werde. Dies löste große Sorgen an den internationalen Finanzmärkten aus.

Schon im Jahr 2011 war Spanien beim Schuldenabbau gescheitert: Die Neuverschuldung im letzten Jahr betrug 8,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes statt der zugesagten sechs Prozent. Für 2012 werden nun 5,8 Prozent angestrebt — erneut erheblich über der EU-Defizitgrenze.

Heute will Rajoy ein weiteres hartes Sparpaket verkünden, das Teil des noch nicht beschlossenen Haushaltes 2012 sein wird. Er kündigte an, sich durch den Druck der Straße nicht von seinem Weg abbringen zu lassen.

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