Eine der schärfsten Strafmaßnahmen EU-Sanktionen gegen Russland treten in Kraft: Swift-Ausschluss von Banken und Staatsmedien-Verbot

Brüssel · Der Ausschluss russischer Banken aus dem Kommunikationssystem Swift gilt als eine der schärfsten Sanktionen. Auch das Verbot von russischen Staatsmedien gilt nun aufgrund von „massiver Propaganda und Desinformation“. Der Überblick über die Maßnahmen.

Die Zentrale der VTB Bank in Moskau.

Die Zentrale der VTB Bank in Moskau.

Die EU hat ihre Sanktionen zum Ausschluss sieben russischer Finanzinstitute aus dem Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift in Kraft gesetzt.

Es gilt eine Übergangsfrist von zehn Tagen. Betroffen ist unter anderem die zweitgrößte Bank Russlands VTB, wie aus dem am Mittwoch veröffentlichten EU-Amtsblatt hervorgeht.

Der Swift-Ausschluss ist eine der schärfsten Strafmaßnahmen, die die Europäische Union seit Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine ergriffen hat. Die Grundsatzentscheidung dazu war in der Nacht zum Sonntag gemeinsam mit Verbündeten wie den USA, Kanada, Italien und Großbritannien getroffen worden. Nach Angaben der Bundesregierung sollen die Finanzinstitute damit von den internationalen Finanzströmen abgeklemmt werden, was ihr globales Agieren massiv einschränken werde.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatte am Wochenende erklärt, man sei angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine entschlossener denn je, „Russland einen hohen Preis für diese Aggression aufzuerlegen und das Land weiter vom internationalen Finanzsystem und wirtschaftlich zu isolieren“.

Neben der VTB-Bank sollen sechs weitere Institute von Swift ausgeschlossen werden. Dies sind die Bank Otkritie, die Novikombank, die Staatsbank Promsvyazbank, die Bank Rossiya, die Sovcombank sowie die Staatsbank VEB. Die größte russische Bank Sberbank sowie die Gazprombank sind nicht betroffen.

Ein hochrangiger EU-Beamter begründete dies am Mittwoch damit, dass einige EU-Länder besonders abhängig von Energielieferungen aus Russland seien - dazu gehört auch Deutschland. Sberbank und Gazprombank seien die wichtigsten Banken für die Bezahlung der Energielieferungen. Es sei nicht möglich, bestimmte Transaktionen von einem Swift-Ausschluss auszunehmen. Die Frist von zehn Tagen soll dem Beamten zufolge den Übergang für die heimischen Banken erleichtern.

Mehr als 80 Prozent der russischen Banken betroffen

Er betonte zudem, dass die EU gegen die Sberbank und die Gazprombank bereits andere Sanktionen verhängt habe. Ihm zufolge sind mittlerweile mehr als 80 Prozent der russischen Banken von EU-Sanktionen betroffen.

Neben dem Swift-Ausschluss enthält das neue Sanktionspaket auch das Verbot für Investoren in der EU, sich an Projekten des Russian Direct Investment Fund zu beteiligen. Zudem gehört ein Verbot für die Lieferung von Euro-Banknoten an Russland dazu. Hintergrund sei, dass einige Banken zumindest die Möglichkeit erwogen hätten, Geldnoten physisch zu transportieren, hieß es.

Swift stellt die Infrastruktur zur Verfügung, mit der Finanzinstitute bei Geldtransfers über Landesgrenzen hinweg sicher miteinander kommunizieren können. Ein Ausschluss daraus bedeutet, dass die Betroffenen praktisch vom globalen Finanzsystem abgeschnitten werden. Mehr als 11.000 Teilnehmer in mehr als 200 Ländern nutzen nach Angaben von Swift den Dienst - vor allem Banken, aber auch Wertpapierfirmen und große Konzerne.

Bereits in Kraft gesetzt haben die USA und die EU unter anderem Sanktionen gegen die russische Zentralbank. Seit der Nacht zum Montag sind Transaktionen mit der Zentralbank verboten und alle Vermögenswerte der Notenbank in der EU eingefroren. Finanzminister Christian Lindner zufolge zeigt die Maßnahme schon Wirkung: „Der Rubel ist im freien Fall. Die Kriegskasse von Wladimir Putin ist empfindlich getroffen“, sagte der FDP-Politiker am Dienstag. „Diese Maßnahme hat geringere Auswirkungen auf uns, aber maximale Auswirkungen auf Russland.“

Auch Verbreitung russischen Staatsmedien RT und Sputnik ab sofort verboten

Die Verbreitung der russischen Staatsmedien RT und Sputnik in der EU ist ab sofort verboten. Die Maßnahme trat am Mittwoch mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Umgesetzt werden muss sie jeweils in den einzelnen EU-Staaten.

„Außergewöhnliche Zeiten verlangen nach außergewöhnlichen Maßnahmen“, sagte EU-Kommissionsvize Vera Jourova am Dienstagabend nach einem Gespräch mit Vertretern der Gruppe europäischer Regulierungsstellen für audiovisuelle Mediendienste (ERGA). „Wir alle stehen für die Redefreiheit, aber sie darf nicht zur Verbreitung von Kriegspropaganda missbraucht werden. Der Kreml hat Informationen zur Waffe gemacht.“

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sagte am Mittwoch, in Zeiten des Kriegs seien Worte entscheidend. „Wir sind Zeugen massiver Propaganda und Desinformation über diesen ungeheuerlichen Angriff auf ein freies und unabhängiges Land.“ Man werde jedoch nicht zulassen, dass Kreml-Treue „ihre giftigen Lügen zur Rechtfertigung von Putins Krieg verbreiten oder die Saat der Spaltung in unserer Union säen“.

Die aktuelle Strafmaßnahme betrifft alle Verbreitungswege von RT und Sputnik in der EU, etwa per Kabel, Satellit oder Internet. Betroffen sind auch RT-Ableger etwa auf Deutsch oder Französisch. Bereits seit vergangener Woche ist RT-Chefredakteurin Margarita Simonjan mit EU-Sanktionen belegt. Diese betreffen ein Einreiseverbot, außerdem wurden mögliche Vermögenswerte in der EU eingefroren.

Die RT- und Sputnik-Journalisten selbst sollen nicht daran gehindert werden, ihrer Arbeit nachzugehen, wie EU-Beamte betonten. Die Sanktionen seien sehr sorgsam ausgearbeitet worden, hieß es auch angesichts von Sorgen über mögliche Einschnitte der Pressefreiheit.

Die Sanktionen gegen RT und Sputnik sollten zeitlich befristet sein und nur so lange andauern, „bis die Aggression gegen die Ukraine beendet ist und die Russische Föderation und ihre Medien ihre Propagandaaktionen gegen die Union und ihre Mitgliedstaaten eingestellt haben“, sagte ein EU-Beamter.

Die EU-Medienregulierer, die in der ERGA vertreten sind, betonten am Mittwoch, dass man geschlossen stehe und sich dazu verpflichte, zu einer schnellen Umsetzung der Maßnahmen durch alle Beteiligten beizutragen.

Der Facebook-Konzern Meta und die Video-App Tiktok beschränkten bereits den Zugang zu Inhalten von RT und Sputnik in der EU.

Deutsche Medienregulierer haben gegen das deutschsprachige Live-Programm von RT unabhängig von der EU-Entscheidung ein Zwangsgeld von 25 000 Euro angedroht, wie die Medienanstalt Berlin-Brandenburg am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Die Regulierer wollen damit erreichen, dass die RT DE Productions GmbH mit Sitz in Berlin das Live-TV-Programm von RT DE einstellt.

Grund ist, dass die Medienanstalten Anfang Februar ein Sendeverbot erteilt hatten, weil für das Programm keine Rundfunklizenz in Deutschland vorliege. Eine Lizenz ist grundsätzlich eine Voraussetzung, um ein Rundfunkprogramm hierzulande anzubieten. Seit Dezember wird das deutschsprachige Live-Programm RT DE trotzdem ausgestrahlt.

Der Europabeauftragte der deutschen Medienanstalten, Tobias Schmid, teilte mit: „Die wirtschaftlichen Sanktionen der Europäischen Kommission unterstützen unser konsequentes medienrechtliches Vorgehen gegen RT DE und dürften eine Antwort auf den Umstand liefern, dass das Programm trotz fehlender Lizenz noch verbreitet wird.“ An dem Fall zeige sich auch, dass das Staatsferneprinzip des in Deutschland gültigen Medienstaatsvertrags ein weitsichtiger Gedanke sei. Er hoffe, „dass die EU diesen Ansatz für ganz Europa übernimmt. Das würde auch zukünftig eine stabile Rechtsgrundlage für solche weitreichenden Maßnahmen bieten.“

© dpa-infocom, dpa:220302-99-352087/4

(dpa)
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