Die Liebe des Altkanzlers zur Macht

Ein bisschen Staatsmann, ein bisschen Lobbyist: Wie sehr die politische Szene mit Gerhard Schröders Doppelrolle hadert.

Ein gut gelaunter Gerhard Schröder erwartet in St. Petersburg mit Nord-Stream-Chef Matthias Warnig (l.) den russischen Präsidenten Wladimir Putin — und empfängt...

Ein gut gelaunter Gerhard Schröder erwartet in St. Petersburg mit Nord-Stream-Chef Matthias Warnig (l.) den russischen Präsidenten Wladimir Putin — und empfängt...

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Düsseldorf. Altkanzler zu sein ist kein Beruf, aber ein Nimbus. Eine Art besonderes Ansehen unter Auflagen. So erwartet man, dass der Altkanzler entweder den politischen Diskurs in der Öffentlichkeit fördert, indem er sich mit der Gelassenheit des Ruheständlers einmischt. Oder sich möglichst würdevoll zurückzieht.

...den Freund mit einer herzlichen Umarmung.

...den Freund mit einer herzlichen Umarmung.

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So zumindest ist es im deutschen Bewusstsein verankert und wird von Helmut Schmidt sowie Helmut Kohl umfassend repräsentiert. Gerhard Schröder passt nicht ins Bild. Er war mal Bundeskanzler für die SPD und ist heute Vorsitzender des Aktionärsausschusses der Nord Stream AG, einer Tochter des teilstaatlichen russischen Gazprom-Konzerns. Damit vertritt er handfeste wirtschaftliche — und aus Sicht seiner Kritiker auch politische — Interessen Russlands.

Und jetzt auch noch seine Geburtstagsfeier mit Wladimir Putin in Russland. Auf Kosten von Nord Stream. Mitten in einer Phase schwerster diplomatischer Verstimmungen zwischen dem Westen und Russland. Für viele Kritiker war damit das Ende des Erträglichen erreicht. „Es ist für einen Staatsmann, der nicht mehr aktiv ist, völlig unverantwortlich“, sagte etwa Unionsfraktionsvize Andreas Schockenhoff (CDU). „Das Amt wirkt nach, und Schröder beansprucht dessen Privilegien für sich als Person“, kritisiert FDP-Präsidiumsmitglied Volker Wissing. „Dass die SPD zu dem Thema seit Jahren schweigt, finde ich unangemessen“, ergänzt er und hält sogar ein Parteiausschlussverfahren für diskussionswürdig.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe äußerte kürzlich im „Spiegel“ : „Gerhard Schröder ist Putins bestbezahlter Minnesänger.“ Und auch sein Parteifreund und Europaabgeordneter Jo Leinen stellte in der ARD-Politsendung Report Mainz fest: „Man weiß ja, dass Schröder in den Diensten von Gazprom steht, der ist nicht mehr frei in seiner Meinung.“

Wie sehr die politische Szene mit Schröders Doppelrolle hadert, hat ein Vorstoß der Grünen im Europaparlament gezeigt. Im März forderten die Abgeordneten Rebecca Harms und Daniel Cohn-Bendit ein symbolisches Redeverbot für Gerhard Schröder in Russlandfragen. Anlass waren Äußerungen des Ex-Kanzlers, in denen der 70-Jährige maßgeblich der EU die Schuld für die Eskalation an der Krim gab und die Annexion durch Russland mit dem Kosovo-Einsatz der Bundeswehr verglich.

Das Kanzleramt ging am Dienstag auf Distanz zu Schröder. Dieser handle nicht im Auftrag der Bundesregierung. Er werde auch nicht als Mittelsmann gebraucht, da die Regierung eigene Kontakte zu Putin habe. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann verteidigte jedoch den Altkanzler. Er habe dem russischen Präsidenten sicher klar gemacht, dass er aktiv etwas für die Freilassung der Geiseln und die Lage in der Ostukraine tun müsse.

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