Danuta Walesa meldet sich zu Wort

Warschau (dpa) - Zum Weihnachtsfest könnte der Haussegen im Haus Walesa schief hängen. Denn Danuta Walesa (62), Ehefrau des polnischen Friedensnobelpreisträgers und einstigen Arbeiterführers Lech Walesa, hat ihre Autobiografie geschrieben.

Die erste Auflage war innerhalb weniger Tage vergriffen, das Buch gilt als Neuerscheinung des Jahres. Dabei schildert es keine Sensationen - die Geschichte der polnischen Demokratiebewegung muss nicht umgeschrieben werden.

Doch mit der Schilderung ihrer Einsamkeit im Schatten des berühmten Mannes, dem Ringen um seine Aufmerksamkeit und dem vergeblichen Warten auf seine Unterstützung spricht Danuta Walesa vielen Frauen ihrer Generation aus der Seele. Einer grollt allerdings und fühlt sich ins schiefe Licht gerückt: Ehemann Lech.

Der 68-jährige kann nämlich überhaupt nicht verstehen, dass seine Frau sich in den 42 Ehejahren unglücklich fühlte. Lebt sie nicht in einem schönen Haus mit Garten? Sind die Entbehrungen der kinderreichen Familie in den Jahren des Kommunismus nicht ferne Vergangenheit? Und überhaupt, sollte er etwa Windeln wechseln oder Geschirr waschen, während er Weltgeschichte schrieb und die erste freie Gewerkschaft im kommunistischen Machtbereich gründete?

„Man redet nicht über das, was im eigenen Haus passiert“, grollte er in Interviews. Dabei sei er doch großzügig gewesen: Er habe keinerlei Einwände geäußert, als Danuta Walesa davon sprach, über ihr Leben zu schreiben. „Ich dachte nur nicht, dass sie das auch macht“, räumte er nach der Veröffentlichung ein. Irgendwie klang durch, dass das Leben seiner Frau aus seiner Sicht kaum Stoff für ein Buch hergibt.

Denn Danuta Walesa stand immer im Hintergrund. Es galt schließlich, acht Kinder aufzuziehen - keine leichte Aufgabe während der Wirtschaftskrise Anfang der 1980er Jahre, als die Polen um Grundnahrungsmittel wie Milch oder Brot manchmal stundenlang anstehen mussten. Wenn dann etwa nach der Gründung der Gewerkschaft Solidarnosc die internationale Presse in der kleinen Wohnung der Großfamilie anrückte und Ehemann Lech ein Interview nach dem anderen gab, riss Danuta auch schon mal die Geduld. Denn sie konnte „diese Politik“ so gar nicht leiden.

„Mein ganzes Leben lang habe ich schwere und unangenehme Arbeiten erledigt“, schreibt Danuta Walesa nun in ihrer Lebensgeschichte. „Ich war Mutter, Krankenschwester, Putzfrau, Köchin.“ Die Klage dürfte den meisten Frauen ihrer Generation vertraut klingen.

Im sozialistischen Polen galt zwar eine Frau als Kranführerin, Ingenieurin oder zumindest Vizedirektorin nicht als sonderlich sensationell. Doch wenn es um Kindererziehung, Haushalt und Organisation des täglichen Lebens ging, trugen diese Frauen die gesamte Last ebenso allein wie traditionelle „Nur-Hausfrauen“ im Westen. Den meisten Männern wäre es nie eingefallen, sich daran zu beteiligen - das war schließlich Frauenarbeit. „Ich bin kein männliches Chauvinistenschwein“, versicherte auch Lech Walesa kürzlich in einem „Newsweek“-Interview. „In der Politik, im Kampf ist keine Zeit für Romantik. Sollte ich da auch noch Blumen kaufen?“

Für die liberale katholische Wochenzeitung „Tygodnik Powszechny“ ist Danuta Walesas Buch „ein 500 Seiten langer Brief an Lech“ - eigentlich eine Liebeserklärung. Auch nach 42 Ehejahren hofft sie weiter auf mehr Zuwendung. Doch es scheint bisher zweifelhaft, ob die Botschaft ihren Mann erreicht hat. Im „Newsweek“-Gespräch grollte Walesa: „Unsere Religion erlaubt keine Scheidung, andernfalls könnte es schlecht ausgehen.“

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