Brexit-Deal Britische Regierung billigt Entwurf für Abkommen mit EU

London · Die britische Premierministerin setzt sich mit ihren Brexit-Plänen nach stundenlangen Gesprächen im eigenen Kabinett durch. Doch im Parlament steht Theresa May noch ein schwerer Kampf bevor.

 Theresa May, Premierministerin von Großbritannien, vor der Downing Street.

Theresa May, Premierministerin von Großbritannien, vor der Downing Street.

Foto: dpa/Stefan Rousseau

Das britische Kabinett hat den Entwurf für das Brexit-Abkommen mit der EU gebilligt. Das teilte Premierministerin Theresa May nach einer etwa fünfstündigen Sitzung mit ihren Ministern am Mittwochabend in London mit. Es sei eine schwere Entscheidung gewesen, vor allem mit Blick auf die umstrittene Irland-Frage. May sprach dennoch vom bestmöglichen Abkommen, das habe ausgehandelt werden können.

«Diese Entscheidung wurde nicht leichtfertig getroffen, aber ich glaube, es ist eine Entscheidung, die zutiefst im nationalen Interesse ist», sagte May vor ihrem Regierungssitz. Vorausgegangen sei eine «lange, detaillierte und leidenschaftliche» Debatte. Mit Blick auf das britische Parlament betonte die Regierungschefin: «Das ist ein Beschluss, der einer intensiven Prüfung unterzogen wird, und das ist genau, wie es sein sollte, und vollkommen verständlich.»

Sollten nun auch die Regierungschefs der 27 verbliebenen EU-Länder zustimmen, wäre der Weg frei für eine Abstimmung über das Abkommen im britischen Parlament. Dort formiert sich jedoch parteiübergreifender Widerstand gegen den Entwurf. Ob die Regierung eine Mehrheit erreichen kann, scheint zweifelhaft.

Umstritten ist vor allem die Lösung für die Frage, wie künftig Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verhindert werden sollen.

Die Europäische Union besteht auf einer Garantie, dass es keine Kontrollen auf der irischen Insel geben wird. Der sogenannte Backstop stößt aber auf heftigen Widerstand bei den Brexit-Hardlinern in Mays Konservativer Partei und der nordirischen DUP, auf deren Stimmen Mays Minderheitsregierung im Parlament angewiesen ist.

Der nun getroffene Kompromiss sieht Berichten zufolge vor, dass Großbritannien im Notfall zunächst als Ganzes in der Europäischen Zollunion bleibt. Trotzdem scheinen für Nordirland einige weitergehende Bestimmungen vorgesehen zu sein.

Das dürfte vor allem die DUP auf die Barrikaden bringen, die sich gegen jegliche Sonderbehandlung Nordirlands sträubt. Zudem fordern die Brexit-Hardliner in Mays Konservativer Partei, dass der Backstop nur für eine begrenzte Zeit gelten dürfe. Beide drohen damit, das Abkommen durchfallen zu lassen.

Auch von anderer Seite droht May Ungemach. Die Brexit-Gegner im Parlament hoffen, eine Niederlage Mays könnte zu einem zweiten Brexit-Referendum und so zum Verbleib des Landes in der EU führen. Die Labour-Opposition rechnet sich Chancen auf eine Neuwahl aus.

Bei einer Fragestunde im Parlament vor der Kabinettssitzung hatte May das Abkommen verteidigt. Es sei ein «guter Deal» für Großbritannien. Mays Parteifreund und Brexit-Hardliner Peter Bone warnte hingegen, sie werde «die Unterstützung vieler konservativer Abgeordneter und Millionen von Wählern verlieren».

Sollte die angekündigte Einigung im Parlament in Westminster keine Mehrheit finden, droht ein Austritt ohne Abkommen - mit schweren Folgen für alle Lebensbereiche. Zuerst wäre es aber wohl das Ende der Regierung May.

Nach Ansicht der Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Europaparlament, Ska Keller, verhindert das Abkommen nur das Schlimmste. «Aber es bleibt dabei: Auch dieser Deal ist schlechter für Großbritannien als die volle EU-Mitgliedschaft.»

Mehrere britische Medien spekulierten unterdessen unter Verweis auf Informationen aus Kreisen der Konservativen Partei über einen bevorstehenden Misstrauensantrag gegen May. Für einen solchen Antrag wären entsprechende Briefe von 48 Tory-Parlamentariern notwendig. Es gilt jedoch als unwahrscheinlich, dass May ein Misstrauensvotum verlieren würde.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnte Großbritannien energisch vor einem ungeordneten Brexit. Der EU-Austritt sei das größte Risiko für die britische Wirtschaft, wenn auch bei weitem nicht das einzige Problem. Auch die deutsche Wirtschaft warnte vor großen Risiken. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Eric Schweitzer, kommentierte: «Der Brexit wird zwar so oder so zu hohen Kosten für die Unternehmen führen, sei es wegen drohender Zölle oder zusätzlicher Brexit-Bürokratie. Ein ungeregelter Brexit wäre allerdings ein Desaster.»

(dpa)
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