Breivik wollte Ex-Ministerpräsidentin enthaupten

Oslo (dpa) - 77 Morde waren ihm nicht genug - der Norweger Anders Behring Breivik hatte vor, alle der mehr als 560 Menschen auf der Fjordinsel Utøya zu erschießen. „Das Ziel war nicht, 69 Menschen zu töten, das Ziel war, alle zu töten“, sagte Breivik am Donnerstag vor Gericht in Oslo.

Er habe im vergangenen Sommer auch das gesamte norwegische Kabinett umbringen wollen. Deshalb sei er vom Bombenanschlag auf das Osloer Regierungsviertel, bei dem acht Menschen starben, enttäuscht gewesen. Breivik ist wegen Terrorismus und vorsätzlichen Mordes angeklagt.

Zudem wollte der 33-Jährige vor laufender Kamera die frühere Regierungschefin Gro Harlem Brundtland enthaupten. „Das primäre Ziel war, die gesamte Regierung zu töten, inklusive den Staatschef“, sagte er mit ruhigen Worten zu seinen Erwartungen an die Bombenexplosion. „Die Kriterien für einen geglückten Angriff waren, dass mindestens die ersten Säulen der Gebäude zusammenbrechen und dass 12 Menschen sterben.“ Idealerweise hätte das Gebäude zusammenstürzen sollen, habe er sich ausgemalt.

Breivik, der deutlich gefasster wirkte als am Vortag, sagte, er habe nicht damit gerechnet, den Bombenanschlag zu überleben. „Ich habe die Wahrscheinlichkeit, (den Angriff auf) das Regierungsviertel zu überleben, auf unter fünf Prozent geschätzt.“

Ursprünglich hatte Breivik nach eigenen Angaben noch mehrere andere Terrorziele in der engeren Wahl, darunter das Hauptquartier der Arbeiterpartei, das Parlamentsgebäude und das königliche Schloss. Er habe diese Ziele aber verworfen, weil er nicht mehr als eine Bombe bauen konnte. Einen Amoklauf auf die internationale Journalisten- Konferenz Skup habe er aus Zeitgründen nicht geschafft. Das Ferienlager der sozialdemokratischen Jugend auf Utøya sei das nächstbeste Ziel gewesen.

Auf Utøya sei das Hauptziel die einstige sozialdemokratische Ministerpräsidentin Brundtland gewesen - er habe sie vor laufender Kamera enthaupten wollen, sagte Breivik. Brundtland war aber schon abgereist, als Breivik die Insel erreichte. Er habe damit gerechnet, dass die meisten der Utøya-Besucher älter als 18 Jahre alt seien. Er habe keine Minderjährigen töten wollen. Die Jugendlichen hätten sich aber umgedreht, so dass er ihre Gesichter nicht sehen und das Alter nicht beurteilen konnte. Er hatte sich vorgenommen, sie mit der Waffe ins Wasser zu treiben, wo sie ertrinken sollten.

Mit Computerspielen und Übungen am Schießstand bereitete sich Breivik seiner Aussage zufolge akribisch auf die Bluttaten vor. Seinen Waffen gab er Namen aus der nordischen Mythologie. „Das (halb-automatische) Gewehr hieß Gungnir, wie der magische Speer des Gottes Odin, der nach jedem Wurf zurückkehrt, während ich die Glock (halb-automatische Pistole) Mjölnir nannte, nach dem Hammer von Thor, dem Gott des Krieges“, sagte der 33-Jährige.

Erstmals verzichtete Breivik zu Beginn des Prozesstages auf seinen rechtsextremen Gruß mit ausgestrecktem rechtem Arm und geballter Faust. Angehörige seiner Opfer hatten ihn am Vorabend darum gebeten. Im Verhör berichtete er, er habe sich vor den Anschlägen ein ganzes Jahr freigenommen, um das Computerspiel „World of Warcraft“ zu spielen. „Das war aber reine Unterhaltung, ein Hobby, und hatte nichts mit dem 22. Juli zu tun“, betonte er.

Zugleich räumte der Massenmörder ein, er stehe nicht hinter allen Aussagen seines 1500 Seiten starken Manifests. Er sei mit dem Dokument nicht ganz fertig geworden, sagte der 33-Jährige. Auf die Frage von Staatsanwältin Inga Bejer Engh, ob er allem zustimme, was in dem Kompendium stehe, antwortete Breivik mit „Nein“. „Sie haben 77 Menschen getötet, ohne ganz sicher über das zu sein, was im Manifest stand?“, fragte Engh ungläubig. Breivik betonte, er stimme dem Allermeisten zu, habe beim Schreiben aber Rücksicht auf andere militante Nationalisten, nehmen müssen. Kurz vor den Anschlägen hatte er das Manifest mit dem Namen „2083 - Eine europäische Freiheitserklärung“ per E-Mail an rund 1000 Adressaten versandt.

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